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Spuren im Schnee. Das Tief Monika hat weite Teile Europas eingeschneit. Foto: dpa

© dpa

Panorama: Weiße Decke über Deutschland

Schneefälle im ganzen Land legen den Verkehr lahm – auf den Autobahnen kommt es zu Aggressionen

Was die wenigen Wintersportler freute, führte auf den Autobahnen zu Aggressionen. Ganz Deutschland lag am Donnerstag unter einer geschlossenen Schneedecke. Mitten im Schneegestöber riss am frühen Morgen bei einigen Lkw-Fahrern auf der eisglatten Autobahn A 9 zwischen Berlin und Nürnberg bei Schleiz in Thüringen der Geduldsfaden. Sie brachen aus der mittleren Spur nach links aus und fuhren an ihren Kollegen, mit denen sie seit Stunden in einem 42 Kilometer langen Stau festgesessen hatten, vorbei. Die Autos mussten bremsen. Gegen die 40-Tonner, die ihren Ausbruch aus der zweispurigen Warteschlange ziemlich rabiat durchsetzten, hatten sie ohnehin keine Chance. Doch die Freude der Brummifahrer währte nur kurz. An einer Steigung bei Triptis, etwas südlich vom Hermsdorfer Kreuz, wo die A 9 auf die A 4 zwischen Eisenach und Dresden zusammentreffen, war Schluss. Durchdrehende Räder verhinderten jegliches Fortkommen. Die Verkehrsnachrichten meldeten eine „Vollsperrung der Autobahn“, die auch am gestrigen späten Abend noch andauerte.

Die Polizei hielt sich mit Schuldzuweisungen zurück und schüttelte über die „Sturheit mancher Autofahrer“ den Kopf. Zu Fuß mussten sich die Beamten auf den Weg an die Stauspitze machen, um beim Dirigieren der Lkw in der von ihnen selbst verursachten Lage zu helfen. Die Versuche misslangen, weil die Schneefälle nicht nachließen. Räumfahrzeuge kamen ebenfalls durch die nun in Dreierreihen stehenden Lastwagen und Pkw nicht durch. Die zuständigen Landratsämter organisierten die Versorgung der festsitzenden Autoinsassen mit Essen, Getränken, Decken und Kraftstoffen.

Dabei mussten sich die Behörden gleichzeitig intensiv um die Sorgen ihrer eigenen Einwohner kümmern. In Ostthüringen blieben 30 Orte mehr als einen ganzen Tag ohne Strom. „Die Masten sind wie Streichhölzer umgefallen, nachdem Bäume unter der Schneelast auf die Freileitungen gestürzt waren“, sagte ein EonSprecher. Die Monteure brauchten für die Reparatur mehrere Stunden, weil sie in den verschneiten Wäldern nicht an die Masten herankamen. So half am Ende nur noch der Einsatz von Hubschraubern. Krankenhäuser wurden in der Zwischenzeit mit Notstromaggregaten versorgt. In einigen Dörfern schlossen die Bürgermeister Evakuierungen durch die Feuerwehr nicht aus, falls der Strom noch längere Zeit ausbleiben würde.

Mit Leitungsproblemen kämpften den ganzen Tag auch die Leipziger Verkehrsbetriebe. Nach dem Eisregen hatte sich um die Fahrleitungsdrähte ein dicker Panzer gebildet, der den gesamten Straßenbahnverkehr zum Erliegen brachte. „Das letzte Mal hatten wir 1988 mit einem ähnlichen Phänomen zu kämpfen“, hieß es.

Zugreisende mussten vielerorts auf Ersatzbusse ausweichen. Der ICE zwischen Berlin und München konnte wie schon vor einer Woche wegen der Gefahr umstürzender Bäume nicht auf seiner angestammten Strecke durch Thüringen fahren und hielt daher nicht in Saalfeld und Jena. 700 Passagiere eines ICE mussten am Donnerstag in der Kälte auf offener Strecke den Zug wechseln. Der Zug von München nach Berlin war wegen eines technischen Defekts am Donnerstagnachmittag bei Orxhausen (Landkreis Northeim) liegen geblieben. Die Fahrgäste mussten über Behelfsbrücken in einen nachfolgenden ICE umsteigen und konnten ihre Reise zunächst nach Hannover fortsetzen. Gleich komplett fielen am Morgen die ICE-Züge zwischen Leipzig und Dresden aus. Auch in Sachsen-Anhalt standen die Signale für zahlreiche Regionalzüge auf Rot. Das lag neben mehreren umgestürzten Bäumen auch an vereisten und zugeschneiten Weichen. Besonders im Harz und seinem Vorland wehte der stürmische Wind den Schnee auf bis zu 150 Zentimeter hohe Barrieren zusammen. Auf dem Brocken werden derzeit 90 Zentimeter Schnee gemessen. Zudem sei es zu Verspätungen bei der Bahn gekommen, weil die Züge im Fernverkehr aus Sicherheitsgründen nicht schneller als 160 Stundenkilometer fahren durften. In Thüringen und Sachsen warnte die Bahn generell vor Ausfällen und Verspätungen „aufgrund der Witterungsbedingungen“. Nicht in jedem Fall könnten Ersatzbusse fahren. Als ein Stauschwerpunkt erwies sich die Autobahn A 14 bei Magdeburg. Gleich mehrere Schutzengel muss hier der Fahrer eines Sattelschleppers gehabt haben. Er kam auf einer Brücke ins Schleudern und durchbrach die Leitplanke. Das Führerhaus ragte über die Brücke hinaus und drohte rund 30 Meter tief in den Fluss Sülze zu stürzen. Der Mann konnte unverletzt aus seiner Kabine klettern. Während der komplizierten Bergung musste die Autobahn lange Zeit gesperrt werden. Ein Kleintransporter prallte auf das Ende des Staus. Der Fahrer starb. In der Region Berlin-Brandenburg kamen vor allem die Ersatzbusse zwischen Cottbus und Königs Wusterhausen wegen gesperrten Autobahnabschnitte nicht voran. Genau wie die Lastwagenfahrer in Thüringen hatten Autofahrer auch in Brandenburg manche Behinderungen selbst ausgelöst. Sie standen hilflos am Straßenrand und blockierten die Fahrbahn, weil ihnen Benzin fehlte. Offensichtlich war ihnen nicht bewusst gewesen, dass sie durch das ständige Anfahren und Bremsen auf den Autobahnen viel mehr Sprit verbrauchen. Die vor Fahrtantritt ins Auge gefassten Tankstellen waren durch die Vollsperrungen auf den Autobahnen nun nicht mehr erreichbar. Oft vergeblich hielten die gestrandeten Autofahrer Ausschau nach den rettenden Engeln vom ADAC mit dem Benzinkanister. Die steckten selbst in den Staus fest.

In den nächsten Tagen soll es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes nur noch vereinzelt schneien. Es sei jedoch durch den Schnee überall glatt. Von einer entspannten Lage könne man also noch lange nicht sprechen, weil die tagsüber leicht tauende Schnee- und Eisdecke nachts wieder überfriere.

Wintersportler freuen sich

Dank des frühen Wintereinbruchs herrschen in vielen deutschen Skigebieten schon jetzt gute Wintersportbedingungen. Der meiste Schnee in Deutschland wird derzeit mit 105 Zentimetern auf der Zugspitze gemessen. Ähnliche Werte melden Oberjoch bei Bad Hindelang und Obermaiselstein. Das teilt der ADAC in seinem Schneebericht mit. Die meisten Pisten in den Alpen seien in gutem Zustand, Talabfahrten sind aber noch nicht überall möglich. Auch in vielen deutschen Mittelgebirgen sind die Lifte schon geöffnet, unter anderem im Erzgebirge, im Schwarzwald und im Sauerland. Bei rund 40 Zentimeter Schnee können Skifahrer in vielen Gebieten bis ins Tal fahren. Im Harz und im Bayerischem Wald dagegen laufen die meisten Lifte noch nicht. Noch besser ist die Lage in Österreich: In Kärnten und Tirol türmt sich der Schnee mehr als einen Meter hoch. Eine mehrere Meter dicke Schneedecke gibt es zurzeit aber nur am Kaunertaler Gletscher, hier werden 220 Zentimeter gemeldet. Ähnlich gute Bedingungen finden Skifahrer auch in Graubünden in der Schweiz, in mehreren Skigebieten in Südtirol und in Savoyen. dpa

Eiffelturm gesperrt

„Steckengeblieben“ titelte „Le Parisien“. Der Großraum Paris lag von Mittwoch bis Donnerstag völlig lahm. Es waren die heftigsten Schneefälle seit mehr als 20 Jahren. Fast ganz Frankreich war von dem überraschenden Schneefall betroffen, innerhalb weniger Stunden fielen über zehn Zentimeter. Wenn in Frankreich Schnee fällt, herrscht Chaos. Das Land schien trotz Ankündigung mal wieder völlig überrascht worden zu sein. Die Pariser Flughäfen waren mehrere Stunden gesperrt, es fielen zahlreiche Flüge aus. Tausende von Passagieren saßen an den Flughäfen Charles de Gaulle und Orly fest und mussten dort übernachten, weil alle Hotels ausgebucht waren. Busse gab es gar nicht mehr, die Vorstadtzüge fuhren nur sporadisch. Beim Einsteigen in die wenigen Bahnen gab es Prügeleien, so dass die Polizei eingreifen musste. Der Eiffelturm wurde für die Besucher geschlossen. In den Sportgeschäften waren die Regale mit den Winterschuhen wie leergefegt. 500 Kilometer Stau gab es rund um die Hauptstadt, 5000 Polizisten waren im Einsatz. Autofahrer, die mit Sommerreifen unterwegs sind, blieben stecken. Schließlich rief die Regierung dazu auf, das Auto zu Hause zu lassen. Für Lastwagen wurde Fahrverbot verhängt. Viele kamen überhaupt nicht über Nacht nach Hause und mussten in ihren Büros übernachten, denn bis tief in die Nacht zum Donnerstag hatten sich die Staus noch nicht aufgelöst. Nur eines sah man kaum auf den Straßen: Räumfahrzeuge. Tanja Kuchenbecker

Militäreinsatz in Schottland

Nach dem schwersten Wintereinbruch seit fast 50 Jahren hat die schottische Hauptstadt Edinburgh am Donnerstag die Armee zur Hilfe gerufen. Die Soldaten sollten unter anderem die Straßen rund um Krankenhäuser und Pflegeheime von Schnee und Eis befreien. Die Schotten leiden seit fast zwei Wochen unter Schneemassen, die sich bis zu 70 Zentimeter hoch auftürmen. Einige abgelegene Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten. Am Mittwoch waren Tiefsttemperaturen von minus 18 Grad gemessen worden. dpa

24 Grad auf Kreta

In Griechenland herrschten dagegen mitten im Advent sommerliche Temperaturen: Auf Kreta stiegen die Thermometer bei Sonnenschein bis auf etwa 24 Grad, in Athen bis auf 22. dpa

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