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Panorama: Weitere Aussichten: Noch heißer

Forscher sehen Afrika als Opfer der Klimaerwärmung. Sie prophezeien Kriege ums Wasser, Krankheiten und Millionen von Hungertoten

In 15 Jahren soll es soweit sein. Dann wird Afrikas höchster Berg, der Kilimandscharo, ohne sein weißes Haupt und Ernest Hemingways Kurzgeschichtentitel „Schnee auf dem Kilimandscharo“ Schnee von gestern sein. Schon heute hat der majestätische Koloss 85 Prozent seiner einst unwirklich über der heißen Savanne strahlenden Krone eingebüßt: Zunehmende Hitze bringt das Wahrzeichen zum Schmelzen.

Der mehr als 6000 Meter hohe Vulkan ist das sichtbarste, längst aber nicht einzige Indiz dafür, dass der ohnehin gleißende Kontinent noch heißer wird. Wissenschaftler entdecken zwischen Kap und Kairo mehr und mehr Anzeichen für die Klimaerwärmung: Nach Auffassung des nigerianischen Forschers Anthony Nyong könnten die Durchschnittstemperaturen Afrikas in den kommenden 45 Jahren um weitere zwei Grad steigen. Die in den meisten Teilen des Erdteils ohnehin schon spärlichen Niederschläge drohen um ein weiteres Zehntel zurückzugehen.

Erste Alarmsignale gibt es aus der Sahelzone südlich der Sahara, dem Süden des Kontinents und im nördlichen Ostafrika. Gerade erst hat Präsident Mwai Kibaki in Kenia wegen der bevorstehenden Hungersnot im Norden und Nordosten des Landes den Katastrophenzustand ausgerufen. Mehr als 20 Kinder sind bereits verhungert. In Somalia bat Übergangspräsident Yusuf Achmed um Millionenhilfe für die hungernde Bevölkerung. In all diesen Regionen haben Dürreperioden deutlich zugenommen: Klimaforscher prophezeien für die kommenden Jahrzehnte eine dramatische Zuspitzung. „Unsere Berechnungen sagen eine extrem trockene Sahel voraus“, so Isaac Held von der US-amerikanischen „National Oceanic and Atmospheric Administration“: Ausbleibende Niederschläge kosteten hier bereits Millionen Menschen ihr Leben.

In Südafrika gehen heimische Wissenschaftler gar von einer Erwärmung um drei Grad und bis zu 25 Prozent geringeren Regenfällen aus: In diesem Fall wird die Halbwüste Karoo vollends austrocknen, 25 Prozent der einzigartigen südafrikanischen Tierwelt werden aussterben und längst überwachsene Sanddünen vom Kap über Botswana, Sambia bis nach Angola wieder „aktiviert“ – mit verheerenden Konsequenzen für die Landwirtschaft. Schon heute erlebt das südliche Afrika einen Hitzerekord und ein Dürrejahr nach dem anderen: Zurzeit sind allein in Sambia, Simbabwe und Malawi mehr als zehn Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Geringe Ernteerträge sind die augenfälligste Konsequenz erhöhter Temperaturen. Experten zufolge werden weltweit bis zu 120 Millionen Menschen mehr in den Hunger getrieben – 80 Prozent davon in Afrika. Mit seinen ohnehin extremen klimatischen Bedingungen, seinen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten werde der Krisenkontinent wie kein anderer Erdteil von der Erderwärmung getroffen. „Afrika ist der am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogene Kontinent“, sagt Sir David King, der Chef-Wissenschaftler des britischen Premiers Tony Blair.

Doch Dürren und Hunger sind nur die spektakulärsten Folgen steigender Temperaturen. Die daraus resultierende Wasser- und landwirtschaftliche Ressourcenknappheit heizt auch innerstaatliche Konflikte an: Schon heute gehört der Sahel, der sich von Somalia über Sudan, Tschad, Niger und Mauretanien erstreckt, zu den unruhigsten Regionen. Viele afrikanische Bürgerkriege haben sich am Streit über Weideflächen, Zugang zu Wasser, Brennholz und fruchtbaren Boden entzündet.

Auch Afrikas schlimmste Geißeln, die Krankheiten, werden von der Klimaerwärmung begünstigt. Nach einer vom Wissenschaftsmagazin Nature in Auftrag gegebenen Studie werden Malaria, Herz- und Atemwegserkrankungen sowie von Viren verursachte Krankheiten von steigenden Temperaturen gefördert: „Die Klimaerwärmung könnte das Risiko für den Ausbruch solcher Krankheiten bis 2030 verdoppeln“, meinen die Autoren. Schon heute kostet die steigende Hitze nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation jährlich 150 000 Afrikaner das Leben.

So zahlt Afrika die Zeche für den von den Industrienationen angerichteten Schaden. Nur Nigeria, wo das bei der Erdölgewinnung anfallende Erdgas abgefackelt wird, und Südafrika, das seinen Stromverbrauch vor allem über Kohlekraftwerke deckt, tragen messbar zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß bei.

Johannes Dieterich[Johannesburg]

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