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Wahnwitziges Tempo: Die Crew der Spindrift 2 trotzt den Naturgewalten – mit 60 Stundenkilometern im Schnitt.

© Yann Riou/ Spindrift Racing

Weltumrundung im Trimaran: Das Duell der Profisegler

Wer umrundet die Erde am schnellsten? Zwei Hochseeyachten liefern sich derzeit ein packendes Rennen.

So weit in den Süden, an den zerfransten Rand der Antarktis, hat sich schon seit vielen Jahren keine Rennyacht mehr begeben. Meistens sorgen die Veranstalter für die nötige Distanz zu den Eisbergen. Doch bei dem Duell der beiden schnellsten Segelyachten, die je gebaut wurden – der Trimarane Idec Sport und Spindrift 2 – gibt es keine Beschränkungen. Sie rasen derzeit südlich von Australien durch den frostigen Südozean, ihr Tempo ist wahnwitzig hoch, 60 Stundenkilometer im Schnitt, die Segler tragen Helme mit Visier gegen die Gischt. Sie frieren. Und sie schauen ständig auf die Uhr.

Sie tun das für nichts weiter als eine Liste. Ganz oben in diese Liste darf sich eintragen, wer den Erdball am schnellsten auf einem Segelschiff umrundet. Es wird auch eine Trophäe verliehen, die 1990 gestiftete Jules Verne Trophy. Sie ist ein an beiden Enden spitz zulaufender Rumpf oder die Anmutung eines Horizonts oder sonst irgendwas. Aber darauf kommt es nicht an. Die Segelverrückten zieht die Magie dieses Rekords an: derjenige zu sein, der der Uhr ein Schnippchen schlägt.

Auch ein deutscher Segler ist an Bord

Erstmals ist mit Boris Herrmann auch ein Deutscher dabei. Der 34-jährige Profisegler aus Hamburg nimmt auf dem kleineren der beiden Trimarane an diesem Wettlauf teil. Denn das ist ja auch eine Eigenschaft guter Duelle, dass die Chancen ungleich verteilt sind. In diesem Fall ist die Idec Sport mit ihren 31 Metern Länge um ein Viertel kürzer als die Konkurrentin. Deren Geschwindigkeitsvorteil schätzt Idec-Skipper Francis Joyon auf mindestens zehn Prozent. Um das auszugleichen, hat sich der in seiner Heimat als „Mann der Rekorde“ verehrte Joyon für eine radikale Gewichtsreduzierung und nur sechs Mann an Bord entschieden. Das bedeutet kurze Erholungsphasen für jeden, und Manöver müssen gut überlegt sein, um die Crew nicht zu erschöpfen. Joyon ist als Einhandsegler zur Legende geworden. Seine Boote sind stets einfach und praktikabel konstruiert.

Ganz anders der Goliath bei diesem Zeitrennen. Dem 14-köpfigen Team der von Pharma-Erbin Dona Bertarelli großzügig finanzierten Spindrift 2 fehlt es an nichts. Sogar einen eigenen Medienmann, der die Öffentlichkeit ständig mit neuem Material versorgt, fährt mit. Doch gilt es, ein wahres Monster zu zähmen. Und Co-Skipper Yann Guichard hat relativ wenig Erfahrung mit Weltumsegelungen. Außerdem fehlt dem smarten Modellathlet der Sinn, aufs Ganze zu gehen mit seinem Edelgefährt.

Waghalsiges Aufholmanöver

So kommt es, dass der alte Hase Joyon dem Neuling in diesen Tagen eine Lektion erteilt. Am 22. November war die Idec Sport über die imaginäre Startlinie am Ausgang des Ärmelkanals gesegelt. Drei Stunden später war auch die Spindrift 2 aufgebrochen, woraus sich die kuriose Situation ergibt, dass die Konkurrenten einerseits im direkten Vergleich miteinander stehen, andererseits nur ein virtuelles drittes Boot vor Augen haben, das als Referenzpunkt über die Bildschirme geistert. Um dessen Bestzeit zu unterbieten müssen sie die Linie bei Ushant spätestens bis zum 6. Januar wieder überquert haben.

Aber schon auf der Höhe Brasiliens konnte Idec Sport nicht mehr mithalten und fiel mehr als 800 Meilen hinter ihr Soll zurück. So entschloss sich Joyon zu einem verwegenen Schritt und schlug, um die Strecke abzukürzen, einen extrem südlichen Kurs ein. Das zahlte sich aus. Am Donnerstag, dem 19. Tag der Reise, lag er nur noch 51 Meilen hinter der Referenzdistanz zurück. Guichard und Bertarellis Vorsprung schmolz im Norden beträchtlich ab.

Kleine Fehler mit katastrophalen Folgen

Für Boris Herrmann ist das Abenteuer ein weiterer großer Schritt in seiner Karriere. Erst im Spätsommer war er als Navigator nonstop auf einem Maxi-Trimaran durch die Nordostpassage gefahren, was ein eher kurioser Ausflug war. Doch sammelte er weitere wertvolle Erfahrungen mit diesem Bootstyp, der wie kein anderer für Rekordjagden geeignet, aber so fragil gebaut ist, dass kleinste Fehler katastrophale Folgen haben können.

Mit Helm und Visier. Ein Mitglied des sechsköpfigen Teams der Idec Sport.
Mit Helm und Visier. Ein Mitglied des sechsköpfigen Teams der Idec Sport.

© idec sport

Es ist eine kleine Elite französischer Mehrrumpf-Asse, aus deren Kreis die Rekordhalter der schnellsten Erdumrundung kommen. Obwohl es seit 1993 zwei Dutzend Versuche diverser Skipper gab, den jeweiligen Rekord zu unterbieten, beanspruchte lange ein einziger die Krone für sich – Bruno Peyron. Nachdem er 1993 als erster eine Bestzeit unter den von Jules Verne vorgegebenen 80 Tagen geschafft hatte, kam es in den Folgejahren zu einem erbitterten Fernduell mit Olivier de Kersauson, der Peyrons Bestmarken immer wieder unterbot (1997 und 2004). Jedes Mal ging Peyron im Abstand von zwei Jahren mit einem noch stärkeren Katamaran an den Start und war wieder ein bisschen weniger lange unterwegs. Schließlich stellte er 2005 einen Fabelrekord mit einer Reisedauer von 50 Tagen auf.

Der Rekord liegt bei gut 45 Tagen

Als Peyron fünf Jahre später abermals vom Thron gestoßen wurde, diesmal durch den jungen Franzosen Frank Cammas (Groupama 3), war es an seinem Bruder Loick Peyron, die Ehre zu retten. Er ließ sich zum Skipper des damals größten Hochseetrimarans namens Banque Populaire V machen. Seine im Jahr 2012 aufgestellte Zeit von 45 Tagen und 13 Stunden ist seither das Maß, an dem sich die Verfolger messen.

Sie tun es mit neuen Ideen, Konzepten und Mannschaften. Aber nicht mit neuen Booten. Die segeln quasi gegen sich selbst. Denn Idec Sport und Spindrift 2 sind nur neue Namen für jene beiden Trimarane, die einander seit 2008 im Ringen um die Jules Verne Trophy beharrlich Paroli bieten. Guichard hofft, das Potenzial der früheren Banque Populaire V weiter ausbauen zu können. Und Joyon hat die vormalige Groupama 3 seinen Ansprüchen angepasst. Bisher ging sein Plan nicht auf, er blieb zumeist hinter der Referenzzeit zurück. Erst im Pazifik, dessen Durchquerung nun bevorsteht, war Titelträger Peyron langsamer geworden. Darauf setzt die Idec-Crew ihre Hoffnungen. Peyron tut es auch. Er sagt, dass man einen solchen Rekord unbedingt verteidigen wolle. „Das beste, was geschehen kann, ist, dass ihn sich einer schnappt.“

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