zum Hauptinhalt
Noch hat er wenigstens Kameraleute um sich. Wikileaks-Gründer Julian Assange in London. Foto: Andy Rain/dpa

© dpa

Panorama: Weniger Freunde, weniger Geld

Um Julian Assange wird es einsamer – in London kämpft er in zweiter Instanz gegen seine Auslieferung

Was ist eigentlich mit Wikileaks los? Die Enthüllungsplattform dümpelt seit zwei Monaten in der Bedeutungslosigkeit herum. Von den spektakulären Enthüllungen in der Vergangenheit scheint nur mehr ein Schatten übrig zu sein. Kein Wunder, denn der Mann, der hinter der Internetseite steht, steckt selbst in massiven Schwierigkeiten. Seit ihm zwei Schwedinnen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen haben, kämpft Julian Assange in London gegen seine Auslieferung an die schwedische Justiz. Medien berichten, dass der Kreis seiner Unterstützer dabei immer kleiner wird. Und einige Aktionen des 40-Jährigen deuten darauf hin, dass er in Geldnöten steckt.

Seit Monaten besteht Schweden darauf, dass Assange ausgeliefert wird. Derzeit lebt er im englischen Ellingham Hall, etwa eine Stunde Fahrt von London entfernt, auf dem Landsitz eines Freundes. Er trägt eine elektronische Fußfessel und muss sich täglich in der örtlichen Polizeistation melden. In erster Instanz urteilte das Londoner High Court, dass eine Auslieferung rechtmäßig ist. Assange legte dagegen Berufung ein. Seit Dienstag laufen die Verhandlungen in zweiter Instanz in London weiter.

Der Australier beteuert seine Unschuld, auch im aktuellen Verfahren. Der Sex mit den beiden Frauen habe einvernehmlich stattgefunden, sagt er. Der Wikileaks-Gründer wittert hinter den Vorwürfen eine große Verschwörung, die von den USA aus gesteuert wird. Deren Führung hatte Wikileaks im vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung geheimer Diplomaten-Depeschen und zuletzt mit Enthüllungen über das Terrornetzwerk Al Qaida und das Gefangenenlager Guantanamo in Rage gebracht. Seitdem gilt Assange dort als Staatsfeind. Seine Verteidiger behaupten, dass er im Falle einer Auslieferung an Schweden weiter in die USA ausgewiesen werden könnte. Dort versuchen die Behörden schon lange, Assange das Handwerk zu legen und Wikileaks zu stoppen. Derzeit werden rechtliche Schritte wegen der Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente geprüft. Im Moment allerdings brauchen sie sich um neue Enthüllungen wohl keine Sorgen zu machen. Auf das Archiv mit den geheimen Schriften erhält man seit Wochen keinen Zugriff mehr. Auch der Bereich, in dem geheime Dokumente hochgeladen werden können, funktioniert nicht mehr.

Auf der Internetseite der britischen Tageszeitung „The Guardian“ berichten die Journalisten seit Dienstag im Minutentakt aus dem Berufungsprozess am Londoner High Court. Nur noch wenige Menschen hätten sich dort versammelt, um gegen Assanges Auslieferung zu protestieren, schreiben sie. Ist seinen Unterstützern die Puste ausgegangen?

Es wäre möglich. Es könnte aber auch daran liegen, dass Assange es sich in der Vergangenheit mit vielen seiner Anhänger verscherzt hat. Ein ehemaliger Aktivist enthüllte im Mai, dass die Weitergabe von Wikileaks-Dokumenten vertraglich mit einer Geldstrafe von zwölf Millionen Pfund bestraft wird. Und sein deutscher Ex-Kollege Daniel Domscheit-Berg rechnete in einem Buch mit Julian Assange ab, indem er ihn unter anderem als größenwahnsinnig beschrieb. Auf den Gründer der Plattform, die sich solch hehren Zielen wie Wahrheit und Transparenz verschrieben hat, wirft das ein schlechtes Licht.

Ohne Unterstützer, vor allem wohlhabende, steht Assange allerdings schlecht da. Denn für seine Verteidigung vor Gericht und das Überleben von Wikileaks braucht er vor allem Geld. Seine Memoiren, so hoffte er, würden ihm Millionen in die Kasse spülen. Deren Veröffentlichungstermin ist allerdings weiterhin ungewiss. Erst sollte das Buch im April erscheinen. Laut dem Verlag Kiepenheuer und Witsch, der sich die Rechte in Deutschland gesichert hat, soll das Buch im Herbst kommen. Kürzlich versteigerte Assange ein Mittagessen mit ihm für mehrere tausend Pfund auf Ebay. Auch dies ein Zeichen dafür, dass Assange Möglichkeiten zum Geldverdienen sucht.

Dass das juristische Tauziehen um den Wikileaks-Gründer ein schnelles Ende findet, ist nicht zu erwarten. Das Berufungsverfahren könne sich noch einige Tage hinziehen, schreibt der „Guardian“. Sollte auch dieses Urteil gegen Assange ausfallen, hat er die Möglichkeit, vor das oberste Gericht zu gehen. Zeit für neue Enthüllungen auf Wikileaks bleibt da wohl nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false