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Panorama: Weniger Spenden – mehr Einsatz

Im pakistanischen Erdbebengebiet arbeiten vor allem mit dem Land vertraute Hilfsorganisationen: Aber es mangelt an Geld

Berlin - Immer wieder geht die Stimme von Anthony Mounts im Dröhnen der Rotoren unter. Der Mitarbeiter in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht am Telefon zu beschreiben, wie die Menschen im vom Erdbeben total zerstörten Muzaffarabad ums Überleben kämpfen. Er schreit gegen die Hubschrauber an, die fast im Minutentakt landen, Schwerstverletzte abtransportieren oder Hilfsgüter bringen. Immer noch ziehen die Helfer Tote aus den Trümmern, die Menschen haben aus Decken und Planen notdürftige Zelte neben ihren zusammengestürzten Häusern aufgebaut. Geruch von Verwesung liegt in der Luft.

In Muzaffarabad konzentriert sich die Hilfe für Asad-Kaschmir. Die Provinzhauptstadt ist von Islamabad über den Karakorum-Highway wieder zu erreichen. Anders als viele Dörfer, die seit dem Erdbeben vom Samstag noch kein einziger Hilfsflug, kein Bergungstrupp erreicht haben. Denn weder Pakistans Regierung noch die humanitären Organisationen haben bisher einen genauen Überblick, wo überall welche Hilfe gebraucht wird. Das Unglück ist zu groß, zudem fehlt ein Katastrophendienst, der Erfahrung mit der Koordination eines solchen Einsatzes hätte. Auch die Zahl der Toten kann noch niemand genau angeben. Pakistanische Zeitungen berichten von 40000 Opfern, am Donnerstag wurde sogar über mögliche 100000 Tote spekuliert.

Von Muzaffarabad aus versuchen WHO-Mitarbeiter ankommende Helfer in andere Regionen weiterzuleiten, Ärzte und Feldlazarette werden dringend gebraucht, genauso Wasseraufbereitungsanlagen. Allerdings müssen auch in der Provinzhauptstadt viele Verletzte unter freiem Himmel versorgt werden. Und sanitäre Anlagen sind bitter nötig. „Die Menschen erledigen ihre Notdurft in dem Fluss, aus dem sie im nächsten Moment ihr Trinkwasser schöpfen“, sagt Mounts.

Robert Godin von der Deutschen Welthungerhilfe hat aber den Eindruck, dass die Koordination besser wird. Er erzählt, dass Militärs inzwischen offenbar auch ganz pragmatisch an den Straßenkreuzungen Hilfskonvois sagen, wohin sie am besten fahren sollten. „Alle geben ihr Möglichstes“, ist sich auch Lübbo Roewer vom Deutschen Roten Kreuz sicher. Weil in Pakistan, anders als beim Tsunami vor fast einem Jahr kaum Organisationen helfen, die das Land noch nicht kennen, sondern die meisten dort seit längerem Projekte haben, sei die Koordination der Hilfe „auch beherrschbar“. Dass das Interesse der Menschen im Westen für diesen Teil der Welt offenbar nicht so groß ist, schlägt sich aber auch dramatisch bei den Spenden nieder. Bisher hat das Deutsche Rote Kreuz 600000 Euro erhalten. Als vor zwei Jahren ein Beben die iranische Stadt Bam zerstörte, waren es in dem Zeitraum bereits fünf Millionen, sagt Roewer.

Dabei wird das Geld dringend benötigt. In wenigen Wochen beginnt es in Kaschmir zu schneien. Und die hunderttausende Obdachlosen brauchen Decken und winterfeste Zelte. „Wir haben jetzt ein ziemlich kleines Zeitfenster, um zu handeln“, sagt Mounts. Sonst könnten die Menschen schlicht erfrieren.

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