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Abschied von der Idylle? In mehreren Bundesländern wurden Hühner in Biobetrieben mit Futtermais aus der Ukraine gefüttert, der mit Dioxin belastet ist. Foto: picture-alliance/ZB

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Panorama: Wenn Bio krank macht

Der Skandal um dioxinbelastete Ökoeier weitet sich aus. Verbraucherschützer fordern strenge Kontrollen

Berlin - Brandenburg hatten die Behörden bisher nicht auf ihrer Liste. In Nordrhein-Westfalen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und sechs weiteren Bundesländern hatten die Aufsichtsbehörden in den vergangenen Tagen dioxinbelasteten Futtermais gefunden, der an Biohühner, Ziegen oder Schafe verfüttert worden ist. Jetzt steht auch ein brandenburgischer Betrieb in dem Verdacht, seine Hennen mit dem giftigen Mais gefüttert zu haben. „Wir haben Futtermittelproben genommen“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. Bis diese ausgewertet sind, darf der Betrieb keine Eier ausliefern.

Dioxin steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Dass dieser Stoff jetzt in Bioeiern auftaucht, haben die Verbraucher einem niederländischen Futtermittelhändler zu verdanken. Der hatte Biomais aus der Ukraine an Ökobetriebe in Deutschland verkauft. Experten vermuten, dass der Mais zuvor über offenem Feuer getrocknet worden war und dass dadurch Dioxin frei geworden ist.

Zu den Abnehmern der belasteten Eier gehört vor allem Lidl. Der Discounter hat zwischenzeitlich alle Bioeier aus dem Verkauf genommen. Bereits gekaufte Eier können in jeder Filiale zurückgegeben werden, der Kaufpreis wird erstattet, betonte Lidl am Montag auf Anfrage. Rewe teilte mit, sein Erzeuger habe eidesstattlich versichert, keinen Futtermais aus der Ukraine verwendet zu haben. Kaiser’s und die Edeka-Gruppe (Edeka, Reichelt, NP) haben nach eigenen Angaben ebenfalls keine Dioxin-Eier im Sortiment. Auch die Ökoverbände Bioland und Demeter erklärten, sie seien nicht betroffen.

„Ob die Eier belastet sind, kann der Verbraucher nicht erkennen“, sagt Regina Kneiding von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Zwar ist der Dioxinmais nicht nach Berlin geliefert worden, dennoch ist das Problem damit nicht vom Tisch: „Wir prüfen, ob dioxinbelastete Eier im Handel sind“, berichtet Kneiding. Die Veterinär- und Lebensmittelaufseher nehmen derzeit Proben und lassen sie im Landeslabor analysieren. Staatssekretär Benjamin Hoff (Die Linke) erklärte im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses, bisher seien dem Senat keine Lieferungen belasteter Eier nach Berlin bekannt.

Dass acht Jahre nach dem Skandal um giftiges Nitrofen im Hühnerfutter die Ökobranche erneut durch einen Futtermittelskandal belastet wird, wundert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch nicht. „Man muss sich von der Idylle verabschieden, dass auf Biohöfen einige wenige glückliche Hühner herumhüpfen“, sagt Foodwatch-Vizegeschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Tatsächlich werden die Betriebe immer größer und sind auf Zulieferungen von Futtermitteln angewiesen. Dass Biomais aus der Ukraine auf deutschen Ökohöfen verfüttert wird, ist nach EU-Recht erlaubt. Wolfschmidt fordert jetzt Konsequenzen: „Jede Futtermittelcharge muss auf Dioxin untersucht werden“ – auf Kosten der Produzenten. Bislang werden nur Stichproben genommen.

Foodwatch kritisiert zudem die schleppende Informationspraxis. Tatsächlich wussten die Behörden bereits seit dem 27. April von der Dioxinbelastung, die Verbraucher wurden jedoch erst am vergangenen Freitag informiert. „Die Behörden müssen die Verbraucher sofort warnen, wenn sie solche Informationen haben“, fordert Wolfschmidt. Das Bundesverbraucherschutzministerium weist die Kritik zurück. Für eine aktive Warnung der Verbraucher habe es keinen Anlass gegeben, betonte ein Sprecher am Montag. Bei einem Verzehr der Eier seien nach Erkenntnissen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) keine akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten.

Erste Proben zeigen jedoch, dass die Belastung der Bioeier den festgelegten Höchstwert deutlich überschreitet. Wer zwei bis drei dieser Eier isst, überschreitet die täglich tolerierbare Menge um den Faktor zwei, hat das BfR herausgefunden. Das kann langfristig zu Problemen führen. Denn Dioxin reichert sich im Körper an. Über die Muttermilch wird der Stoff sogar an Säuglinge weitergegeben.

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