zum Hauptinhalt
Paul, die Freundin seines Vater und die Lenormandkarten.

© privat

Aberglaube oder Wunder?: Die Karten lügen eher nicht

„Kartenlegen ist doch Spinnerei“, denkt Paul, 15, als er bei der Freundin seines Vaters klingelt. Er lässt sich trotzdem heute die Karten von ihr legen.

Als ich ins Zimmer komme, liegt dort ein rosafarbenes Tuch ausgebreitet, zwei Kerzen brennen. Während sie die Karten aus einer Schachtel holt, weist sie mich ein: „Das sind Lenormandkarten. Lenormand war eine Wahrsagerin, die auch Napoleon die Karten gelegt haben soll.“

Geschickt mischt sie und verteilt die Karten auf dem Tuch. „Jede Karte und Position kann etwas über deine Zukunft aussagen“, erklärt sie. „Dir muss aber klar sein, dass die Zukunft durch deine Einstellung oder Einflüsse von außen verändert werden kann. Ich kann dir nur den Weg zeigen, beschreiten musst du ihn selbst.“ Ich nicke und beginne, ihr meine Fragen zu stellen, nach meinem schulischen Erfolg, meiner Familie, meiner Freundin, aber auch nach konkreten Dingen wie der Idee, einem Fußballverein beizutreten.

Aus Spaß frage ich auch, ob ich es schaffe, diesen Artikel rechtzeitig abzugeben. Sie zeigt auf den Turm und erklärt, in Verbindung mit der Sonne könne er angeben, dass ich sehr zufrieden sein werde mit meinem Artikel, wenn ich mich anstrenge. Ohne dass ich viel erzähle, weiß sie erschreckend gut Bescheid über meine Gedanken, Wünsche und Ängste. Sie spricht mit mir über Gefühle, die ich ihr gegenüber nie erwähnt habe. „Ist das bloß gut trainierte Menschenkenntnis oder wirklich eine Art Magie?", frage ich mich. Nachdem sie die Karten gemischt und wieder zusammengelegt hat, klopft sie mit der Faust auf das Deck, um die persönlichen Energien zu vertreiben.

Auf dem Weg nach Hause denke ich nach. Ich finde, jeder sollte selbst entscheiden, ob er an diese Art der Magie glaubt. Trotz ihrer fast gruselig genau zutreffenden Aussagen glaube ich, dass sie einfach ein besonderes Gespür für Menschen hat. Aber wer sich von solchen Karten Wege für die Zukunft weisen lässt und meint, es helfe ihm, der soll das gerne tun. Der Glaube ist schließlich das Persönlichste und Wichtigste, was der Mensch besitzt. In einem Punkt hat sie jedenfalls recht: Mein Artikel ist fertig, und halbwegs zufrieden bin ich auch.

Paul Berger

Paul Berger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false