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Panorama: Charlottenburg in Rom

Die Nelson-Mandela-Schule vertrat Berlin beim Unesco-Wettbewerb in der italienischen Hauptstadt

Von Patricia Wolf

Selbstbewusst schreitet die junge Polin in traditioneller Tracht über den Laufsteg – verteilt Küsschen ins Publikum, lupft kokett den Saum ihres langen Rockes. Der 16-jährige Florian aus Stuttgart tritt ebenfalls in klassischem Outfit auf: Er trägt Lederhose und Hut und findet es „spannend, sein Land und dessen kulturelles Erbe zu repräsentieren“. Hilaria aus Berlin dagegen hat sich für ein futuristisches Kostüm entschieden. In ihrem langen weißen Kleid aus recyclebaren Materialien will sie auf der interkulturellen Fashion Show das moderne Deutschland zeigen. Judith aus Meißen wählte Jeans und helle Bluse: Symbol für den millionenfach in allen Kontinenten getragenen Style.

Hilaria, Florian und Judith sind die Vertreter von drei deutschen Schulen, die es bis ins Finale des weltweiten Mondialogo-Schulwettbewerbs geschafft haben.

Zusammen mit 50 anderen Schülern zwischen 14 und 18 Jahren und ihren Lehrern aus allen Teilen der Welt trafen sie sich vergangene Woche drei Tage lang in Rom, um in Workshops über interkulturellen Austausch zu debattieren und diesen bei einem Abendessen in einer italienischen Taverne ganz konkret zu praktizieren. „Durch das Fremde das Eigene besser verstehen“ war einer der Leitgedanken bei dem Treffen. Beworben für den Schülerwettbewerb, den Unesco und DaimlerChrysler 2003 gemeinsam ins Leben riefen, hatten sich insgesamt 35 000 Teilnehmer aus 138 Nationen. Für die Endrunde waren schließlich 25 Partnerteams aus 37 Ländern ausgewählt worden.

Bevor sie nach Rom reisen durften, hatten alle Teams mit ihren Partnern ein knappes Jahr an einem gemeinsamen Projekt, das frei wählbar war, gearbeitet. Umweltschutz, Essgewohnheiten, Mode, Migration, Kinderrechte sind nur Beispiele aus einem breiten Spektrum von Themen, mit dem sich Schüler und Lehrer intensiv auseinandersetzen.

Die Nelson Mandela School, eine internationale Schule aus Wilmersdorf mit Oberstufe in Charlottenburg, ist schon zum zweiten Mal dabei: beim Finale 2004 in Barcelona konnte sie sogar den zweiten Platz belegen. In der diesjährigen Runde hatte sich der Kunstleistungskurs beworben: Mit seinem Partnerteam von der Columbus-Schule aus dem mexikanischen Tepic, das ihm zugelost wurde, hatte er sich in einem künstlerischen Prozess engagiert: „Underwater Fashion“ ist eine Untersuchung zum sparsamen Umgang mit Wasser, aus der eine kleine Modekollektion aus wiederverwertbaren Materialien entstand. Ein Kostüm wurde sogleich bei der Fashion Show präsentiert.

In fließendem Englisch erläutern die 17-jährige Hilaria und ihre mexikanische Partnerin Julieta bei der Präsentation ihre Arbeit und warum sie dafür den kreativen Ansatz wählten: „art is a universal language.“ Auch wenn sie dieses Mal leer ausgingen: Kunstlehrerin Florentine Baumann und Lydia Borrayo, die Englisch unterrichtet, sind trotzdem glücklich. Allein, dass sie sich alle in Rom persönlich kennenlernen konnten, war eine „tolle Erfahrung“. Nachdem sie sich oft halbe Nächte via Internet über ihr gemeinsames Projekt ausgetauscht hatten, waren sie sich auf Anhieb sympathisch. Lydia spricht von einer „tiefen Freundschaft, die entstanden ist“. Erstaunt waren sie über die vielen Gemeinsamkeiten, trotz der großen kulturellen Unterschiede ihrer Herkunftsländer. Sie wollen auf jeden Fall ihre Arbeit fortsetzen und hegen schon Besuchspläne.

Bei einer feierlichen Zeremonie zum Abschluss des arbeitsreichen Treffens überreichte DaimlerChrysler-Vorstand Dieter Zetsche dem Gewinnerteam Italien-Indonesien eine Geldprämie über jeweils 1500 Euro. Getreu dem Ansatz „Education is the key to everything“ hat die Internationale Jury das ehrgeizige Projekt ausgezeichnet, das darin bestand, eine Schule für Straßenkinder in Jakarta zu errichten. Initiator war Adrian Thirkell, der seit drei Jahren an der British International School in Jakarta unterrichtet und sich neben seiner Arbeit um die Kinder in den dortigen Slums kümmert.

Mithilfe der Schüler aus dem italienischen Trento wurden Spendengelder von rund 3000 Euro gesammelt. Die reichen aus, um eine Hütte zu errichten, in der jeden Abend 100 Kinder kostenlos Rechnen, Lesen und Schreiben lernen können. Außerdem soll das Gebäude nachmittags als Beratungsstelle dienen.

Adrian Thirkell will sich noch weitere drei Jahre in dem Projekt engagieren. Wie auch DaimlerChrysler und Unesco, die beschlossen, Mondialogo mindestens drei Jahre weiter zu unterstützen.

Es waren vor allem sehr konkrete Projekte, die die Jury dieses Jahr überzeugten: So kam das Team Japan-Türkei, das sich mit dem Verhalten bei Erdbeben beschäftigte, auf den zweiten Platz. Oder das Tandem Australien-Südafrika, das über den Umgang mit HIV und Aids forschte und dafür einen Sonderpreis zugesprochen bekam.

Den Sonderpreis für intensiven Dialog hatte sich das Team Iran-USA verdient. Weil der direkte E-Mail-Austausch wegen der politischen Spannungen nicht funktionierte, suchten sie sich findig Wege über Verwandte und Freunde in Pakistan und Bolivien, über die sie kommunizieren konnten.

Die Teams aus Nigeria, dem Kongo und dem Senegal konnten die Früchte ihrer Arbeit nicht ernten: Weil ihnen die Reise verweigert wurde, durften sie nicht mit allen anderen arbeiten und feiern.

Am Ende der Gala, die in einem ehemaligen Kino mitten in Roms historischem Zentrum stattfand, zeigte sich, dass es neben Englisch noch eine weitere universelle Sprache gibt: zu den Diskoklängen einer Liveband hüpften nach der festlichen Preisverleihung Schüler, Lehrer und Offizielle zusammen ausgelassen auf der Tanzfläche – dabei fehlten weder Hilaria, Julieta, Lydia und Florentine noch Dieter Zetsche oder das japanische Jurymitglied, die Malerin Gräfin Setsuko Klossowska de Rola.

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