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Panorama: Der Name des Veilchens

Unsere Leserin Elsbeth Hinze mimte ein Blümchen und feiert noch heute das Schulfest

Ich trage ein lila Kleid, knielang mit gelben Applikationen. Schultheater. Ich bin das Veilchen in einem WaldzauberStück. Zwölf bin ich damals, am 22. Februar 1926. „Musst dir Stocklocken machen lassen für den Auftritt“, sagte die Großmutter. Kaum in der Schule angekommen, hänge ich mit den hüftlangen Haaren an einer Türklinke. Als ich sie entwirrt habe, sind die Locken keine mehr.

Das sind so Schnurren, die wir Mädchen uns erzählen, wenn wir uns jedes Jahr zum Dorotheentag treffen, dieses Jahr zum 76. Mal. Vor dem Krieg war der letzte Dienstag vor Buß- und Bettag eine Art Schulfest unseres Dorotheen-Lyzeums. Jetzt ist es ein Treffen ehemaliger Schülerinnen. Wir sind alle zwischen 70 und 90 Jahre alt. 50, 60 von uns kommen in den Festsaal eines Hotels. Nur die Mädchen, ohne Männer. Wie früher.

Es war eine konservative Schule. Ein roter Klinkerbau in der Wilhelmshavener Straße, heute in Mitte. 1942 wurde die Schule zerbombt, nach dem Krieg nicht mehr aufgebaut.

Unsere Lehrer haben Kunst und Musik sehr gefördert. Einige waren Maler oder Musiker. Und der Direktor schrieb ein Theaterstück, dabei war er eigentlich Mathematiker. Mathematiker haben doch sonst nur Zahlen im Kopf. Unser Direx nicht, der schrieb ein Drama.Eine meiner Mitschülerinnen wurde später Sängerin an der Staatsoper.

Ich malte und war im Chor, wir haben klassische Sachen gesungen, Schuberts „Forelle“ etwa. Ach, und unsere Biedermeierfeste: Wir kamen in sehr fantasievollen Kostümen. Meine Mutter kaufte extra Stoff mit Blumenmustern. Ich verdanke meiner Schule vor allem mein Interesse für Kultur, das mir bis heute geblieben ist. Jeden Tag habe ich mich auf den Unterricht gefreut. Ich mochte ja auch alle Fächer – außer Geschichte. Die Lehrerin zwiebelte mich mit Daten. Immer wollte sie Zahlen, Zahlen, Zahlen hören.

Aber: Die Geschichtslehrerin war diejenige, die unseren besten Tag im Kopf hatte: Der Dorotheentag war ihre Idee.

Aufgezeichnet von Marc Neller.

Elsbeth Hinze ist 91 Jahre alt. Sie wollte eigentlich Modezeichnerin werden, arbeitete aber dann als Vorstands- und Fremdsprachensekretärin.

Liebe Leser, wir möchten auch Ihre Schulgeschichte aufschreiben.

Erzählen Sie sie uns:

schule@tagesspiegel.de

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