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Panorama: Die Rollen der anderen

Sie sind deutsch, sehen ausländisch aus – diese Schauspieler wollen endlich mal keine Migranten spielen

PEGAH FERYDONI, 23

Alle reden immer über „Migrationshintergrund“ – ich weiß gar nicht, was das soll. Ich war erst zwei Jahre alt, als meine Familie aus dem Iran nach Deutschland kam. Ich bin in Reinickendorf aufgewachsen, spreche Hochdeutsch ohne Akzent. Ich fühle mich als Berlinerin, und trotzdem gibt es für Leute wie mich so gut wie keine Rolle ohne folkloristischen Hintergrund. Neulich habe ich eine indische Studentin gespielt, da wurde ich braun angemalt und in einen Sari gepackt. Bei dieser Figur ging es um gar nichts. Die Rolle war bloß exotische Staffage ohne eigenen Charakter, durfte den anderen Figuren Stichwörter geben. Ich habe mich richtig geärgert.

Gut ist, dass ich nicht auf einen bestimmten Typ festgelegt werde, sondern eine breite Palette von südländischen Rollen spielen kann – immer entlang des Äquators. Ich bin schon als Kurdin, Albanerin, Argentinierin und natürlich als Türkin aufgetreten. In der ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“ spiele ich Yagmur, eine strenggläubige Muslima, die sich ganz genau an alle Gebote des Koran halten will. Normalerweise mag ich solche „Kopftuch-Rollen“ nicht, aber die Serie ist eine Ausnahme, da werden Klischees auf den Kopf gestellt. Yagmur wird nämlich nicht unterdrückt. Im Gegenteil. Sie ist der Tyrann – und nur aus Trotz religiös, um ihren liberalen Vater zu ärgern. Ich wünsche mir, dass Ausländer besetzt werden, ohne dass ständig ihre Herkunft betont werden muss. Auf der Berlinale habe ich einen wunderbaren brasilianischen Film gesehen. Er hieß „Das Jahr, in dem meine Eltern verreist waren“. Da ging es um einen einsamen Jungen. Das war eine Geschichte, bei der es egal ist, wo oder wann die spielt. Ich habe mir vorgenommen, keine Kopftuch-Rollen mehr zu spielen. Andererseits: Wenn Steven Spielberg mal anklopft und mich für eine Kopftuchrolle haben will. . ..

ANTJE BRAMEYER, 25

Ich weiß genau, wovon Minh Khai spricht. Ich finde, das Multikulti-Gerede in Deutschland ist verlogen. Mein Vater ist Deutscher, meine Mutter kommt von den Philippinen. Wenn Leute das zum ersten Mal erfahren, kann ich richtig sehen, wie in ihrem Kopf alle Berichte über Frauen aus dem Katalog durchrattern. Sie tasten sich dann so putzig ran und fragen zum Beispiel: „Wo hat dein Vater deine Mutter denn kennengelernt?“ Manchmal habe ich da schon geantwortet: „Er hat sie auf den Philippinen gekauft.“ In Wahrheit sind sie sich in Deutschland begegnet und haben sich ineinander verliebt. Meine Mutter kam hierher, um als Krankenschwester zu arbeiten.

In Amerika geht man viel selbstverständlicher mit dem Thema um. Da spielen Asiaten alle möglichen Rollen. Auch in Schweden, Frankreich oder Holland ist das Kino offener geworden. Und wenn Quentin Tarantino in seinen Filmen das Asiaten-Klischee total überspitzt, dann ist das schon wieder komisch. Ich mache das manchmal so ähnlich. Zur Zeit spiele ich mit vier anderen Mädels Varieté-Theater. Die Figur, als die ich auftrete, habe ich selbst geschaffen: Sie heißt Litschi Lu und ist sozusagen die Quoten-Asiatin in unserer Gruppe. Wenn man selbst mit den Klischees spielt, ist es lustig. Nur wenn einen andere darauf festlegen, ärgert mich das.

Ich würde gerne die Charlotte in Goethes „Die Leiden des junge Werther“ spielen. Aber ich glaube, die Rolle würde ich allein schon wegen meines Aussehens nie bekommen.

MEHMET BOZDOGAN, 29

Ich spiele den Kommissar Bülent Celik in der ZDF-Serie „Der Kriminalist“. Es ist die zweite Staffel, im März drehen wir wieder eine ganze Menge. Dass ich einen Deutschtürken darstelle, damit kann ich gut leben. Ich muss in der Rolle nicht gebrochen Deutsch reden. Hätte man das von mir verlangt, hätte ich wahrscheinlich abgelehnt. Wäre ja auch absurd. Schließlich versuche ich immer, so gut artikuliert wie möglich zu sprechen.

Auf der anderen Seite will ich mir das Leben nicht so einfach machen und sagen: Ich spiel den „Kanaken“ nicht – zum Beispiel den Türken, der seine Schwester absticht. Denn: Es gibt ja solche Fälle. Für mich stellt sich immer die Frage: Ist eine Rolle oberflächlich und dient der Erfüllung von Klischees oder steckt eine Geschichte mit Tiefgang dahinter?

Ich finde, es müsste mehr Programme im deutschen Fernsehen geben, in denen Ausländer in ganz normalen Rollen auftreten. Rollen, von denen man sagen kann: Das hätte genauso ein Deutscher spielen können. Ich meine, Geschichten, die jeden betreffen, egal ob Türke oder Deutscher: Kriminalfälle, Liebestragödien. In London habe ich schon des Öfteren erlebt, dass zum Beispiel Farbige Rollen in klassischen Stücken spielen. In Berliner Theatern, zumindest in den großen, ist mir das noch nicht begegnet.

PINAR ERINCIN, 23

Ich bin in Deutschland geboren, in Wuppertal aufgewachsen. Fernsehen mache ich, seit ich elf Jahre alt bin, habe schon Auftritte in der „Stadtklinik“, bei „Alarm für Kobra 11“ oder „Dr. Stefan Frank“ gehabt. Da bin ich ein armes, türkisches Mädchen, das zu einer Heirat in der Türkei gezwungen wird, oder eine junge Türkin, die sich dem westlichen Lebensstil zugewandt hat und deshalb von ihrer Familie geschnitten wird. Oft rettet mich ein deutscher Arzt oder Polizist. Natürlich sind das furchtbare Klischees, und dies ärgert mich. Aber ich will schauspielern und werde eben so besetzt. Ich versuche, das Beste draus zu machen. Gerade habe ich eine Serie für Sat.1 gedreht, die im März gesendet wird. In der spiele ich eine muslimische Terroristin, die mit anderen einen Anschlag auf den afghanischen Präsidenten plant. Da komme ich mal aus der Opferrolle raus.

Meine Schauspiel-Agentur heißt „International Actors“. Die haben nur Ausländer unter Vertrag. Wenn die Sender eine Türkin wollen, rufen sie da an. Das ist auch okay. Was mich ärgert, ist, dass so viel über Türken geschrieben und gedreht wird, ohne dass die Drehbuchautoren und Filmleute Ahnung von der türkischen Kultur hätten.

Im März spiele ich im Theater Hebbel am Ufer 3 in dem Stück „Schwarze Jungfrauen“. Da halten fünf Muslima Monologe über ihr Leben, ihren Hass auf den Westen und auf die orientalische Welt. Es geht viel um Sex. Ich finde das Stück toll. Unsere Kostüme sind hautfarbene Männerunterwäsche. Kopftücher gibt es auch nicht, dafür haben wir alle Glatzen.

KATHARINA RIVILIS, 21

Ich bin mit sechs Jahren aus St. Petersburg nach Deutschland gekommen und gerade dabei, mein Schauspielstudium an der Filmhochschule in Potsdam abzuschließen. Meine erste wichtige Rolle hatte ich in dem Film „Stauffenberg“, waren aber nur drei Minuten. Ich habe ein weißrussisches Mädchen gespielt, dessen Familie von den Nazis umgebracht wurde. In dem Film habe ich Russisch gesprochen und Deutsch mit starkem Akzent. Den musste ich ganz neu lernen. Genauso gut hätte ich einen spanischen Akzent lernen können.

Danach kamen viele Angebote für russische Rollen. Ich muss ein bisschen aufpassen, jetzt nicht in dieser Schublade zu landen und habe mir vorgenommen, in nächster Zeit nicht mehr so viel Russisches zu spielen. Ab März trete ich in „Die Selbstmörder“ an der Volksbühne auf – da spielt meine Herkunft keine Rolle. Jetzt im Februar bin ich in einem ZDF-Krimi als armenische Zwangsprostituierte zu sehen. Prostituierte aus dem Osten sind ja sehr beliebt im deutschen Fernsehen. Aber die Rolle hat mich interessiert, weil ich mich da mit einer tragischen Geschichte auseinandersetzen muss.

Ich empfinde meine Herkunft nicht als Problem. Schwer haben es aber bestimmt Leute, die Akzent sprechen oder eine dunklere Hautfarbe haben.

Aufgezeichnet von Björn Rosen

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