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© Dirk Lässig

Panorama: Die Schlagerfee: 14 Jahr, blondes Haar

Wenn Franziska zum Mikro greift, klatschen die Fans entzückt mit. Sie ist der neue Star der Volksmusikszene und singt am Samstag vor einem Millionenpublikum. Wir haben sie getroffen.

Neben dem Gemüsetisch mit den frischen Pepperoni und den in Öl eingelegten Oliven hämmert der Beat. Es ist Mittwoch, 17:04 Uhr, vor dem Real-Supermarkt hat Franziska zum Mikrofon gegriffen. Ihr Lipgloss glänzt im Licht der Deckenstrahler, sie lächelt und singt:

„Ich fall’ dem neuen Tag in den Arm/ Und mir wird tief im Herz wieder warm/Und jeder Augenblick/ schmeckt nach Leben, Spaß und Glück.“

Gut, das liest sich jetzt etwas komisch, kommt aber gut an, auch an diesem Nachmittag im Erdgeschoss des Potsdamer Sterncenters, direkt vorm Real. Ältere Frauen bleiben mit ihrem Einkaufswagen stehen, Männer wippen vergnügt mit und klatschen in die Hände. Viele kennen den Text, „Sommergefühl“ heißt das Lied, es war in den Charts, Platz 15, und vor allem war es elf Wochen lang das Gewinnerlied der Schlagersendung „Immer wieder sonntags“ in der ARD.

Franziska sagt: „Die älteren Leute mögen mich, die finden mich niedlich.“ Franziska ist 1993 geboren, sie ist 14.

Die Schlagerbranche hat ein ziemlich verstaubtes Image und wird gern belächelt. Aber die Labels können dort noch viel Geld verdienen, denn Rentner brennen ihre CDs nicht, sie kaufen sie im Laden. Dass die Sängerin Franziska bei den Konzerten quasi die jüngste ist im Saal – abgesehen von den kleinen Mädchen in bunten Kleidchen, die ihr ständig rote Rosen und Pralinenkästen auf die Bühne tragen –, ist ihr egal. „Jugendliche hören auch meine Musik“, sagt sie.

Neulich, vor drei Wochen, in der Stadt Brandenburg an der Havel: Im „Stahlpalast“ sitzt kein Jugendlicher. 1000 Menschen sind da, sie tragen eine Mode, die Franziska vielleicht in 50 Jahren tragen wird. In der Vorhalle gibt’s Kaffee für 1,50 Euro und ein Glas Hasseröder für 2,50 Euro. Franziska hat kurz Zeit, sie dreht sich vorsichtshalber weg vom Publikum, das hier gespannt an den Stehtischchen auf den Abend wartet. „Mittlerweile werde ich echt oft erkannt“, sagt sie. Dann fragen entzückte ältere Frauen im Supermarkt, ob sie denn nicht „diese niedliche Sängerin aus dem Fernsehen“ sei. Ja, sei sie. Danke. Bleiben Sie gesund. Auf Wiedersehen.

Franziska wird in den kommenden Wochen noch viel öfter Smalltalk führen, sehr höflich sein und smart. So, wie es Stefan Mross, Florian Silbereisen und ebenso Stefanie Hertel sind. Auch sie waren süß und jung – zehn, elf Jahre alt – als sie entdeckt wurden und die Schlagerwelt eroberten. Nun sind sie fast alle 30 Jahre alt, und jetzt, sagt ein Kenner der Schlagerszene, „wollen die Leute so langsam neue, frische Gesichter sehen“.

Sie bekommen Franziska. Am Samstagabend tritt sie zur besten Sendezeit in der ARD auf, 20.15 Uhr. „Krone der Volksmusik“ heißt die Show. Erwartet wird eine stolze Einschaltquote von mehr als sieben Millionen Menschen.

Franziska lächelt nicht nur im „Stahlpalast“, vorm Supermarkt oder in der ARD. Sie lächelt immer und überall, selbst als plötzlich nach der Autogrammstunde in Potsdam ein ungepflegter, älterer Mann ganz nah vor ihr steht und raunt: „Liebe Franzi, ich wünsche dir alles Gute.“ Das Management schaut in diesen Sekunden genau hin, denn leider missdeuten immer wieder „ein paar kranke Typen“ ihr Lächeln, erzählt ein Manager. „Sie bekommt manchmal perverse Briefe, deshalb filtern wir die Fanpost.“

Behütet wuchs Franziska Katzmarek in Sachsen-Anhalt auf, 211 Kilometer südöstlich von Berlin. Das Nachbarstädtchen ist berühmt. Aus Freyburg an der Unstrut kommt der „Rotkäppchen“-Sekt und auch Friedrich Ludwig Jahn, kurz: Turnvater Jahn.

Franziskas Dörfchen allerdings, wo sie auf einem Bauernhof ohne Tiere groß wird, besteht quasi aus einer Kreuzung. Vier Straßen hat das kleine Örtchen, gerade mal 40 Einwohner, keinen Supermarkt, kein Kino und erst recht keine Disko. Wer jenen Ort namens Almsdorf bei Google Earth entdecken will, muss ganz schön nah ranzoomen.

Franziska sagt, dass sie mal Frisörin werden wollte, doch es kam anders, und manche sprechen längst verzückt von einem Märchen: Ein Mädchen aus der Provinz, die aufbrach, um „Schlagerkönigin“ zu werden. Franziska singt immer, unter der Dusche, auf dem Schulweg, auf den endlos großen Wiesen hinter dem Bauernhof. Mit sieben Jahren stand sie im Nachbardorf bei einem bunten Volksfest das erste Mal auf einer Bühne. Gemeinsam sang sie mit ihrem Vater Olaf, der sich den Künstlernamen „Wolfgang“ zugelegt hat, wortkarg ist und lieber aufpasst, dass seine Tochter pünktlich bei ihren Auftritten erscheint – und abends wieder im Bett landet.

Ständig sind die beiden im Auto unterwegs. „Sie ist 14, uns sitzt der Jugendschutz im Nacken“, sagt eine Mitarbeiterin des Managements. „Sie darf ausnahmsweise um 23 Uhr ins Bett – spätestens, sagen die Behörden.“ Und weil in diesem Land natürlich Schulpflicht besteht, muss sie auf ihrer Tournee kräftig Mathe und Englisch büffeln. Die Schulleitung hat ihr die Hausaufgaben mitgegeben, ein befreundeter Musiker der „Jungen Zillertaler“ spielt Lehrer. Vielleicht denken sie ja: So viele Arbeitsplätze haben wir nicht in Sachsen-Anhalt, versuch’ dein Glück lieber in der Musik.

Und so wird Franziska noch eine Weile die perfekte Enkeltochter spielen. Den Stefan Mross findet sie zwar „süß, weil echt witzig“, aber für einen eigenen Freund „bin ich noch zu jung, ich bin 14!“, sagt sie. Außerdem ist „der Stefan“ mit „der Steffi“ zusammen, Stefanie Hertel.

In Potsdam ist es nun 17.38 Uhr, die Autogrammkarten sind weg. Die Gage für ihren Auftritt ist an diesem Tag bescheiden, es gibt einen kleinen Präsentkorb mit Kosmetik, dann wartet die Autobahn A9. Hoffentlich singt Rihanna im Radio. R’n’B hört Franziska am liebsten.

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