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Panorama: Die weite Welt wartet auf mich

Irgendwann hatte ich begonnen die Jahre zu zählen, die schnell zu Wochen und schließlich zu Tagen schrumpften. Ich bin bei null angekommen: null Jahre, Wochen, Tage Schule.

Irgendwann hatte ich begonnen die Jahre zu zählen, die schnell zu Wochen und schließlich zu Tagen schrumpften. Ich bin bei null angekommen: null Jahre, Wochen, Tage Schule.

Nun bewege ich mich rückwärts durch einen Sommer, der wahrscheinlich mein letzter als die Person sein wird, die ich immer war. Das Leben steht vor der Tür und ich höre es energisch anklopfen.

Noch versuche ich mich halbherzig zu verstecken, ziehe die Vorhänge zu und gebe vor, ein Kind zu sein, aber spätestens im September wird das Leben die Tür eintreten und mich ins kalte Sibirien schleifen. Dann arbeite ich für ein halbes Jahr an einem Gymnasium in Nowosibirsk mit Kindern und Jugendlichen, die Deutsch lernen. Russland war mein Wunschland, auch wenn ich dafür viele skeptische Blicke geerntet habe. Seit ich auf eine russische Europagrundschule gegangen bin, fühle ich mich diesem Land verbunden, es gehört irgendwie zu mir. Trotzdem hatte ich mich noch für ein Au-pair-Jahr in den USA beworben. Die Entscheidung war die schwerste meines Lebens, aber bin ich glücklich damit.

Ich gebe gerne zu, dass ich Angst habe. Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal mit meinen Freundinnen in derselben Stadt wohnen werde. Aber wenn ich eines gelernt habe, dann ist es, dass ich an meinen Aufgaben wachsen kann. Genauso gerne gebe ich nämlich zu, dass ich mich auf Russland freue. Ich freue mich darauf, wieder die Sprache zu sprechen, die ich elf Jahre lang gelernt habe. Ich freue mich auf neue Menschen, auf eine warme Tschapka im Winter, auf eine Arbeit, die mir hoffentlich Spaß machen wird.

Ich bin kein Schulkind mehr, ich bin frei. Ich bin neugierig auf mich selbst und die weite Welt, die wartet.

Caroline Stelzer, 19 Jahre

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