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Panorama: Die Welt meistern

Die Kreuzberger Reinhardswald-Grundschule ist eine von deutschlandweit 205 WM-Schulen. Sie ist Patin des afrikanische Togo Für die Schüler gab es schon Afrika-Projekttage und Fußballturniere zur Vorbereitung des WM-Jahres

Dass das kleine afrikanische Dorf Balanka eine Bibliothek bauen will, also einen Raum, in dem es elektrisches Licht gibt, so dass man auch nach Einbruch der Dunkelheit noch lesen kann, ist auch Sache von Antonia, Kiva, Julian und Luis. Und es hat etwas damit zu tun, dass vorgestern das WM-Jahr 2006 angefangen hat.

Antonia, Kiva, Julian und Luis gehen in die fünfte und sechste Klasse der Reinhardswald-Grundschule. Und die nimmt als eine von 205 Schulen in Deutschland am Projekt „WM-Schulen“ teil, in dem Schüler sich mit anderen Fifa-Nationen auseinander setzen – und gegeneinander in Turnieren antreten. Der Kreuzberger Schule wurde Togo als Patenland zugewiesen, als das Projekt im Herbst 2004 startete. Und Balanka, das Dorf, in dem sich kaum eine Familie Bücher, Kreide oder Strom für die Lampe zum Lesen leisten kann, liegt in Togo.

Im Flur der Kreuzberger Grundschule hängt die grüngelbbunte Flagge des Landes. An den Wänden kleben Fotos von dem Tag im Mai, als Koko Affo-Tenin da war, eine Togolesin vom Verein „Bildung für Balanka“. Sie hat den Kindern afrikanisches Essen mitgebracht, von ihrem Land erzählt und ihnen gezeigt, wie man schwere Dinge auf dem Kopf trägt. Und was haben Antonia, Kiva, Julian und Luis noch über Togo gelernt? Der blonde Luis nimmt ein Stück Kreide, malt einen amöbenartigen Umriss an die Tafel und in dessen Knick, Mitte links, macht er einen dicken Strich. Da, sagt er, ist Togo. Der dunkelhaarige Julian sagt, in Togo gebe es einen schlimmen Direktor, äh Diktator. Der unterdrücke andere Parteien. Mit Religion habe die Situation dort nichts zu tun, sagt Kiva, die Kleinste. Man spreche dort Französisch. Togo war mal eine deutsche Kolonie.

Aber es geht nicht nur um Erdkunde, es geht bei den „WM-Schulen“ vor allem um Fußball, Fußball und Fairness. Für die Turniere gelten ganz besondere Regeln: Jungs und Mädchen spielen zusammen, die Teams sind klein, die Felder auch, es darf nicht geschimpft und geschubst werden, am Ende des Spiels geben sich alle Spieler die Hände – und Tore zählen nur, wenn die Mädchen auch eins geschossen haben.

Ist das denn fair? Klar, sagt Julian, „sonst kriegen die Mädchen ja nie den Ball“. Das muss er gleich wieder zurücknehmen. Die Reinhardswald-Schule hat nämlich sehr gute Mädchen. Zum Beispiel Antonia. Die trainiere zwar nicht so oft, wie sie sollte, aber sie habe Biss, findet Lehrer Wolfgang Auber, der zusammen mit Konrektorin Britta Knoblich das Projekt an der Schule betreut. Dazu gehört auch, Kontakte herzustellen, was im Fall Togo gar nicht so einfach war. Allein die Beschaffung der togolesischen Flagge dauerte ewig, die war nicht vorrätig, musste erst bestellt werden. Britta Knoblich sagt, dass sie vergeblich versucht habe, Togos Botschafter zu erreichen.

„Wohl wegen der politischen Lage“, sagt sie. Der Präsident, der Togo jahrzehntelang autokratisch regiert hat, starb im Februar 2005, sein Sohn sollte das Amt erben, es gab Aufstände, dann eine erzwungene Wahl. Auch der Botschafter wurde gewechselt. Und unter den eigenen Schülern ist kein einziger aus Togo. Trotzdem ist es gelungen, einen Projekttag über Togo zu organisieren, bei dem auch für die Schule in Balanka gesammelt wurde. Und trotzdem freuen sich die Kreuzberger über ihr Patenland.

Denn Togo spielt in der echten WM auch wirklich mit. Damit ist die Reinhardswaldschule in Berlin eine Ausnahme. Von den anderen Berliner WM-Schulen vertritt allein die private Königin-Louise-Stiftung aus Dahlem mit dem Iran noch ein aktives WM-Land. Dass die National-Elf aus Togo, die zum ersten Mal an einer WM teilnimmt, die Vorrunde gegen Frankreich, Schweiz und Südkorea übersteht, glauben weder Antonia, Julian, Kiva noch Luis. Und sie liegen mit ihrer pessimistischen Einschätzung auf Expertenlinie. Togo gilt als einer der schwächsten WM-Neulinge.

Wie eine Niederlage schmeckt, haben auch die Kreuzberger Togo-Vertreter gerade schmecken müssen: Nachdem sie mehrere Vorrunden im WM-Schulturnier gemeistert haben, schieden sie vor zwei Monaten bei den Kontinentalmeisterschaften, dem African Cup of Nations in Wittenberge, aus. Knapp, wie sie betonen. Und überhaupt reden sie lieber darüber, wie schön das Wochenende war, wie sie gespielt und gefeiert haben, ihre Leute anfeuerten und auch für Gegner klatschten. Weil alles andere unfair wäre.

Was finden die Zehn- und Elfjährigen noch unfair? Wenn ich mich melde und nie dran komme, sagt Luis. Wenn immer ich meiner kleinen Schwester helfen muss, obwohl wir drei Geschwister sind, sagt Antonia.

Karten für die echte WM hat keines der Kinder. Wer wird denn Weltmeister? Frankreich, sagt Julian. Jedenfalls nicht Deutschland, glaubt Luis. Griechenland, sagt Kiva. Griechenland spielt doch gar nicht mit, sagt Lehrer Auber. Da kichert Kiva und sagt, ist mir egal. Das ist doch auch eine Einstellung.

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