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Panorama: Eine Frage des Charakters

Unsere Leserin Bettina Klamann wollte so gerne Lehrerin werden. Doch es kam anders

Erst die Indianer, dann die Wende: Zwischen mich und meinen Traumberuf Lehrerin kam immer etwas. Weil ich mir eine IndianerAusstellung in der Amerikanischen Botschaft angesehen hatte, meinten die Schulräte der DDR, dass „mein charakterlicher Entwicklungsstand nicht die Gewähr bot, dass ich das Abitur bestehen würde“. An der Abendschule bewies ich, dass auch Schulräte irren können. 1987 durfte ich ein Fachhochschulstudium zum „Unterstufenlehrer“ aufnehmen. Wenn man Literatur liebt, fühlt man sich damit leicht degradiert. Aber Lehrer ist Lehrer, und „ein guter Grundschullehrer reicht fürs ganze Leben“, schrieb mir ein Freund. Im Studium war ich bei den Besten und meinem Berufswunsch ganz nah.

Dann kam die Wende. Nichts gegen die Wende, aber irgendwie war unser Jahrgang mit seinen vier Jahren Studium der erste, der wieder nicht charakterlich so gefestigt war, dass man ihn 1991 in die bundesdeutsche Schule hätte schicken können. Mein Abschlusspraktikum hatte mir so einen Spaß gemacht. Wenn ich meine Stunden geplant hatte, konnte ich manchmal nicht einschlafen aus lauter Vorfreude. Was machten da schon sechs Jahre Hochschulstudium? Ich fing noch einmal von vorne an.

Nun muss ich beschämt einräumen, dass meine Abschlussarbeit einige Tippfehler enthielt. Aber weder meine jetzigen Kollegen und schon gar nicht meine Schüler hätte das gestört. Ich bin ja keine Analphabetin – und zwischen Rechtschreib- und Tippfehlern gibt es einen Unterschied. Jedenfalls war es aus mit dem Traumberuf. Es ist anders gekommen, als ich es mir gewünscht hatte, aber nicht schlechter. Ich wurde Lerntherapeutin und betreibe einen kleinen Verlag für Kinder mit Lese- und Rechtschreib- Problemen. Anfragen kommen nicht nur von deutschen Schulen, sondern sogar aus Malmö und Italien. Und immer noch kann ich es kaum erwarten, bis ich ein Leseheft fertig konzipiert habe. Dann kann ich vor lauter Vorfreude nicht einschlafen und frage mich mitten in der Nacht: Warum wollte das deutsche Schulsystem mich nicht?

Aufgezeichnet von Claudia Keller.

Bettina Klamann ist 38 Jahre alt. Ihr Verlag heißt „deutex“ (www.deutex.de).

Liebe Leser, wir möchten auch Ihre Schulgeschichte aufschreiben.

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schule@tagesspiegel.de

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