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Panorama: Gesucht: Ein Sponsor für Pinocchio

Viele Schulen tun sich schwer, Unternehmen als Geldgeber für ihre Projekte zu gewinnen

Wo Bühnenvorhänge sonst würdevoll herunterhängen und keinen Mucks von sich geben, tollt dieser hier übermütig umher und kichert unentwegt. Bis Katalin Sofalvi-Schulze in die Hände klatscht. Da ist Ruhe im Theatersaal der Spreewald-Grundschule in Schöneberg. Katalin Sofalvi-Schulze nickt: „Genau das sollen sie lernen: zur Ruhe kommen und sich konzentrieren.“ Sie – das sind die Zweitklässler, denen Schauspielerin Sofalvi-Schulze Theaterunterricht gibt. Sie klatscht erneut, und die Vorhanggeister trappeln hervor. „Stellt euch vor, ihr seid auf dem Jahrmarkt. Spielt miteinander! Probiert alles aus!“ Schon fliegt der erste Ball, Reifen gehen von Hand zu Hand, und bunte Tücher tanzen wie Derwische durch die Luft. „Jetzt in Zeitlupe“, ruft Sofalvi-Schulze. Ein Junge stöhnt. Die Schauspielerin beugt sich zu ihm: „Das kannst du.“ Und lauter: „Na, los.“

Antreiben und zugleich auffangen - nach Sofalvi-Schulzes Ansicht braucht es stets beides mit Kindern. Die Schauspielerin arbeitet seit drei Jahren an der Spreewald-Grundschule. Für Schulleiter Erhard Laube ist ihr Unterricht eine Form von Gewaltprävention: „Die Kinder lernen, sich in andere hineinzuversetzen und miteinander zu reden.“ Jedes Jahr entstehen mehrere Stücke; gerade ist „Pinocchio“ in Arbeit. Wie es mit dem Holzjungen weitergeht, ist jedoch ungewiss: Da Schauspiel nicht zum regulären Unterricht gehört, für den der Staat aufkommt, wurde Sofalvi-Schulze bisher aus einem Spendentopf bezahlt. Doch dieser leert sich rapide: Deshalb sucht Laube seit einigen Monaten nach einem Unternehmen als Sponsor für Sofalvi-Schulzes Stelle. Bislang erfolglos: „Es kamen nur Absagen.“

Über Absagen hätte sich Marion Berning gefreut: „Mir haben sie nicht mal geantwortet“, sagt die Leiterin der Rixdorfer Grundschule. Sie suchte einen Sponsoren fürs Schulfest. Aber als Schule in einem sozialen Brennpunkt seien sie wohl nicht interessant für die Wirtschaft, vermutet die Neuköllnerin. „Eigentlich sollten sie uns ihre Hilfe anbieten, schließlich bilden wir ihre späteren Angestellten aus“, sagt sie.

Völlig die falsche Haltung und Strategie, sagt Peter Gnielczyk von der Bundeszentrale für Verbraucherschutz. „Schulen dürfen nicht losgehen und die Hand ausstrecken“, sagt der Bildungsexperte, der sich mit Schulsponsoring beschäftigt. Er rät zu – wie er es nennt – „sweetheart deals“. Der erste Schritt: Firmenvertreter in die Schule einladen und Vertrauen schaffen. „Dabei müssen sich Schulen überlegen: Warum lohnt es sich für ein Unternehmen, sich mit uns zu identifizieren?“ Anders als eine Spende ist Sponsoring ein betriebswirtschaftliches Firmeninstrument, ein „quid-pro-quo-Unterfangen“: Die Firma hilft der Schule, erwartet aber eine Gegenleistung, meist in Form von Imagepflege – zum Beispiel durch eine Erwähnung auf der Schul-Website.

Mit dieser Art des Geschäftemachens tun sich Schulen häufig schwer: „Bildungseinrichtungen ticken anders“, sagt Michael Damian vom Schulamt in Frankfurt am Main. Deshalb stellte das dortige Büro der Unternehmensberatung McKinsey 2006 vier Schulen unentgeltlich Berater zur Seite. Innerhalb eines Jahres hatten drei der Schulen ihren Sponsor gefunden, unter anderem für eine Bibliothek und eine Schulküche. Eine Gegenleistung von Seiten der Schulen habe es nicht gegeben, sagt Damian. „Dafür gab es für die Firmen positive Resonanz in der Presse.“

Das ist ein Beispiel für eine zurückhaltende Form des Sponsoring, andere gehen aggressiver vor: So gab die Volksbank im Baden-Württembergischen Balingen einer Schule Geld für die Umgestaltung des Hofs. Im Gegenzug verwenden die Lehrer im Wirtschaftsunterricht Materialien, die die Bank zur Verfügung stellt und auf denen ihr Logo prangt. Thomas Günthert von der Volksbank sieht darin kein Problem: „Das ganze Leben ist doch ein Geben und Nehmen“, sagt er. „So werden die Kinder schon früh auf harmlose Weise ins Wirtschaftsleben eingebunden.“

Die Pädagogin Andrea Liesner von der Universität Hamburg ist anderer Meinung: „Das ist eine offensive Kundenbindungsstrategie.“ Sie hält wenig von dem Galopp gen Markt, den deutsche Bildungseinrichtungen vorlegen. Während andernorts vom „In- und Output“ der Schulen und „effizienten Management“ die Rede ist, erinnert Liesner daran, das Schule dem Wortsinn nach „Muße“ bedeutet – und damit die Möglichkeit, fernab von Nutzwerterwägungen zu lernen.

Deshalb meint Josef Kraus, der Präsident des Lehrerverbandes, auch, dass man auf die Barrikaden gehen müsse. „Es muss politischer Druck entstehen.“ An diese Möglichkeit glaubt Erhard Laube indes nicht mehr: „Auf den Staat haben wir lange genug gewartet. Ich bin in erster Linie meinen Schülern verpflichtet.“

Zum Glück scheinen die einigermaßen unschuldig geblieben zu sein: Er habe fünf Goldmünzen, sagt Pinocchio-Darsteller Diyar. Wofür die seien, fragt ihn sein Bühnenpartner. Diyar öffnet den Mund, schließt ihn dann wieder: Er hat’s vergessen, was man macht mit Geld.

Premiere der Pinocchio-Aufführung ist am 28. Februar um 11 Uhr. Anmeldungen sowie Infos zu dem Projekt bei der Spreewald-Schule unter Tel.: 75 60-71 51.

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