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Panorama: Gute Ideen ohne Ende

40 Jahre „Jugend forscht“: Heute kämpfen 100 Berliner Schüler um den ersten Platz im Landesentscheid

Christopher Froese, 16, und Vincent Reeder,15, grillen gern. Aber dass das Ganze so stinkt und raucht, hat ihnen noch nie gefallen. Was also muss rein in den Anzünder, damit das Grillen mehr Spaß macht? Das war die Aufgabe, die sich die beiden Zehntklässler des Weddinger Lessing-Gymnasiums für den diesjährigen 40. Durchgang von „Jugend forscht“ vorgenommen haben. Heute stellen sie sich mit knapp 100 Schülern dem Berliner Landesentscheid. Wenn sie die Jury überzeugen, können sie Ende Mai zum Bundeswettbewerb nach Dortmund fahren.

Die Konkurrenz ist groß. Die ausgefallensten Ideen wurden zusammengetragen. So haben sich elfjährige Schüler der Kreuzberger Bürgermeister-Herz-Grundschule mit der Herstellung von Buntstiften befasst und dabei mit Stearin, Paraffin und Farbpulver experimentiert. Oberstufenschüler des Tempelhofer Ulrich- von-Hutten-Gymnasiums entwickelten einen Rauchfilter für PCs. Um die Herstellung „essbarer Trinkpäckchen“ ging es Zwölfklässlerinnen vom John-Lennon-Gymnasium in Mitte. Der 17-jährige Robert Greif vom Friedrichshainer Heinrich-Hertz-Gymnasium konstruierte den Prototyp eines Tragflächenmodells, das sich dank einer ausgeklügelten Hydraulik während des Fluges Auftrieb und Widerstand anpasst.

„Es gibt immer mehr Schüler, die mitmachen“, vermeldet Joachim Kranz, der seit vielen Jahren einen der beiden Berliner Regionalwettbewerbe organisiert. An seiner Schule, dem Tegeler Humboldt-Gymnasium, gehört er zu den fünf Lehrern, die „Jugend forscht“-Projekte betreuen. Zusätzlich bietet er jeden Mittwoch eine „Jugend forscht AG“, zu der regelmäßig 20 Teilnehmer kommen. Und er hat das Wahlpflichtfach „Technik und Natur“ mit entwickelt, das ausschließlich am Humboldt-Gymnasium angeboten wird.

Der große Einsatz trägt Früchte. Zum Beispiel diese: Eine Anlage, die mit Hilfe von Sonnenlicht und Titandioxid Wasser reinigen kann. Ausgedacht hat sich das die 13-jährige Madhuri Rudolph. „Ich habe Wasser aus dem Nordgraben geholt, es in meinen Wasserofen geleitet, nach kurzer Zeit waren 97 Prozent der Bakterien tot“, erzählt sie und empfiehlt den Einsatz des „billigen und effektiven Gerätes“ in Katastrophengebieten.

Madhuri gehört wie Silvana Kranz, Marthe Neye und Jana-Carina Elias zum Schnellläuferjahrgang ihrer Schule. Die drei Neuntklässlerinnen haben mit zwei Spiegeln, zwei kleinen Motoren und einer Platine eine Mini-Laser-Show entwickelt, deren Grundfläche so groß ist wie eine Tafel Schokolade.

Man muss sich diese Mädchen, die in der Schule herumtüfteln, nicht als versponnene Naturwissenschaftlerinnen vorstellen. In ihrer Freizeit spielen sie Hallenhockey (Silvana) oder Geige (Madhuri), sie wollen Innenarchitektinnen (Jana) oder Ärztinnen (Marthe) werden.

Die beiden Jungs mit den umweltfreundlichen Grillanzündern, Christopher und Vincent, sitzen nachmittags meist auf dem Rad, spielen gern Fußball und überlegen jetzt, ob sie ihre Jugend-forscht-Idee nicht zur Grundlage einer Schülerfirma machen. Was sie dazu brauchen, ist nicht teuer: Nachwachsende Rohstoffe wie Sonnenblumensamen, Sägemehl und Bienenwachs gehören zu den Zutaten ihrer wohlriechenden und nicht qualmenden Anzünder. Wobei das Bienenwachs deshalb so preiswert ist, weil es von ihrem Schulimker kommt.

Während Joachim Kranz den Regionalwettbewerb Nord organisiert, ist seine Kollegin Helmke Schulze für den Süden der Stadt zuständig. Sie unterrichtet die Fächer Physik, Astronomie und Mathematik am John-Lennon-Gymnasium in Mitte und kann sich noch daran erinnern, dass es auch zu DDR-Zeiten eine Art „Jugend forscht“ gab. Das nannte sich allerdings „Messe der Meister von morgen“ und drehte sich vor allem um technische Erfindungen. Schulze bedauert es, dass trotz starker Werbung unter ihren Kollegen die Zahl der teilnehmenden Schulen relativ konstant bleibt. Selbst unter den Gymnasien macht nur jedes dritte mit.

Andererseits schafften es die wenigen engagierten Schulen, von Jahr zu Jahr mehr Schüler zu interessieren, bestätigt Schulze die Aussage ihres Kollegen Kranz. Rekordverdächtig ist zum Beispiel der Einsatz der Kurt-Schwitters-Gesamtschule (Prenzlauer Berg), die so unterschiedliche Themen wie „Wasserenthärter im Test“ und „Kristallzucht“ anbietet und untersucht hat, ob „Blumenfrisch hält, was es verspricht?“.

Im Bundesvergleich gehört Berlin nicht gerade zu den Besten bei „Jugend forscht“. Andere Bundesländer schafften es häufiger auf das Siegerpodest. Zur Begründung heißt es aus der Bildungsverwaltung, dass in vielen Bundesländern Facharbeiten Pflicht sind, die als gute Grundlage für Wettbewerbsprojekte gelten. Vielleicht verbessert sich Berlins Bilanz, wenn demnächst im Abitur die so genannte fünfte Prüfungskomponente kommt, die aus anspruchsvollen Hausarbeiten bestehen kann.

Einige Sieger hatte Berlin aber dennoch vorzuweisen. Zu ihnen gehörte schon im ersten Wettbewerbsjahr der 19-jährige Theodor Hildebrand vom Gymnasium zum Grauen Kloster. Der von ihm konstruierte Elektronenrechner verschaffte ihm eine Einladung zu einem US-Wettbewerb für junge Forscher. Nicht einmal als Radiobastler hatte sich Hildebrand zuvor hervorgetan, hieß es dazu im Tagesspiegel am 30. April 1966.

Anmeldeschluss für „Jugend forscht“ 2006 ist der 30. November 2005. Beim Bundesentscheid werden Preise im Gesamtwert von 150 000 Euro vergeben. Weitere Infos unter www.jugend-forscht.de.

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