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© Nico Klein-Allermann

Interview: „Es geht immer noch übler und erniedrigender“

Warum sich Jungs nach Körben als Opfer sehen und was Online-Foren wie meinliebeskummer.de oder herzschmerz-community.net damit zu tun haben

In Deinem Buch „Abgeblitzt“geht es um Abfuhren, die Frauen Männern erteilen. Was war Dein Anreiz, Dich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Ich fand es auffällig, dass Männer nie über ihre Körbe sprechen. Nicht mal vor den engsten Freunden. Wenn man Männer fragt, warum sie sich plötzlich nicht mehr für eine Frau interessieren, in die sie letzte Woche noch unsterblich verliebt waren, dann kommen so vage Antworten wie „Hat irgendwie nicht gepasst“ oder „So toll ist die Frau gar nicht“. Dabei bleiben viele unterhaltsame, denkwürdige und auch verstörende Geschichten unerzählt. Das ist schade.

Wie schwer war es, Männer zu finden, die interessante Erlebnisse zu erzählen hatten, und diese dann auch zum Reden zu bekommen?

Zuerst habe ich Freunde und Bekannte gefragt. Mit den Abgründen, die sich da auftaten, hätte ich allein schon zwei dicke Bücher füllen können. Als nächstes habe ich in Internet-Foren nach Leidensgenossen mit wirklich ausgefallenen Geschichten gesucht. Es gibt dutzende Portale. Wer sich erst mal entschlossen hatte, mir seine Geschichte zu erzählen, wollte gar nicht mehr aufhören. Wir haben viele Biere getrunken.

Gab es auch Männer, die ihre Niederlagen im Nachhinein mit Humor nehmen oder sehnt sich das männliche Geschlecht eher nach ein bisschen Mitleid?

Ein bisschen Mitleid wäre untertrieben. Die meisten sehen sich als Opfer, denen übel mitgespielt wurde. Manche wollten das Interview auch nutzen, um Rache zu nehmen. Aber ja, viele haben es zum Glück auch mit Humor genommen. Selbstironie ist bei Abfuhren sowieso eine sehr gute, empfehlenswerte Taktik. Erstaunlich fand ich, wie genau sich die Männer noch an ihre Tragödien erinnern konnten. Einer hat während des Interviews sein Handy rausgeholt und mir seinen gesamten SMS-Verkehr mit der betreffenden Frau vorgelesen – obwohl das schon mehrere Jahre zurücklag. Er hatte noch alles gespeichert. Das fand ich tatsächlich merkwürdig.

Verrätst Du dem Leser in

Abgeblitzt

auch eine eigene Niederlage? Und was ist bei Dir schiefgelaufen?

Sie hieß Dorothee und ich habe sie vorm Supermarkt kennengelernt. Sie hatte an der Kasse eine Flasche Mineralwasser liegen lassen, also bin ich ihr hinterhergelaufen. Dorothee lässt überall Sachen liegen. Erst lief es richtig gut zwischen uns, aber leider habe ich nicht gemerkt, dass sie nicht mich, sondern einen anderen Mann gut fand. Der heißt Jochen und ich hasse ihn. Ihre entscheidenden Korb-Worte lauteten „Komm mal klar!“

Obwohl Du von sehr unterschiedlichen Charakteren und Situationen berichtest, fallen Parallelen im Verhalten der Männer auf. Als Frau denkt man sich manchmal: Kein Wunder, dass der Typ einen Korb bekommen hat! Gibt es typische Fehler, die Männer unbedingt vermeiden sollten, wenn sie auf die Pirsch gehen?

Von auswendig gelernten Sprüchen und überraschenden Kussattacken wird dringend abgeraten. Warum das meistens nach hinten losgeht, kann man detailliert im Buch nachlesen. Der größte Fehler besteht meiner Meinung nach aber gar nicht im Flirtverhalten, sondern darin, den Korb zu überhöhen. Ihn als die größtmögliche Katastrophe anzusehen. Ich selbst mache das leider auch, aber eigentlich ist es doch so: Abfuhren gehören dazu. Wer keinen Korb riskieren will, muss sich von Frauen fernhalten, und das ist langfristig natürlich auch keine Lösung. Selbst Brad Pitt hat schon einen Korb bekommen. Hoffe ich zumindest.

Der eine oder andere Korb ließe sich mit der richtigen Strategie bestimmt vermeiden. Was gilt es zu beachten, wenn man eine Frau ansprechen möchte? Wie macht man es richtig?

Da kann ich nur begrenzt Ratschläge geben, ich bin wohl eher ein Experte im Scheitern. Aber in „Abgeblitzt“ kommt auch ein Pick-Up-Artist zu Wort – so nennen sich die Männer, die das Anflirten fremder Frauen als Spiel und Kunstform begreifen, das ist ein Trend aus den USA. Der Typ hat mir sehr anschaulich einige Methoden verraten, die zwar moralisch fragwürdig klingen, aber auch effektiv. Zum Beispiel, wie man am besten auf die sogenannte „Last Minute Resistance“ reagiert, das plötzliche Abwiegeln einer Frau, die eben noch interessiert schien. Es gibt da tatsächlich ein paar Tricks.

Wie sollte ein Mann Deiner Meinung nach auf eine Abfuhr reagieren, um sich nicht noch mehr zu blamieren? Was wäre eine völlig falsche Reaktion?

Diskutieren geht gar nicht. Oder der Frau vorzurechnen, welche missverständ­lichen Signale sie vielleicht gegeben hat. Ich glaube, die beste Reaktion ist, den Korb einfach anzunehmen. Das klingt vielleicht arg nach Küchenpsychologie, aber die Aufgabe des Mannes besteht darin zu begreifen, was das Akzeptieren eines Korbes ist: eine Leistung nämlich. Wenn schon scheitern, dann in Würde. So wie die Germanenkönige, die Cäsar als Zeichen ihrer Niederlage die Waffen vor die Füße geworfen haben. Das hatte Stil. Leider bekommt man niemals Lob dafür.

Für die Frauen dürfte es mit Sicherheit interessant sein, zu erfahren, was ein Mann fühlt, wenn er abgeblitzt ist. Gibt es da Unterschiede oder ist grundsätzlich erst mal jeder gekränkt und in seinem Stolz verletzt?

Gekränkt ist man immer. Umso mehr man sich in die Sache reingesteigert hat, desto schlimmer ist es. In „Abgeblitzt“ kommen auch Männer zu Wort, die in Gedanken bereits mit der Familienplanung beschäftigt waren. Die sich schon ausgemalt haben, wie die gemeinsamen Kinder heißen könnten – obwohl sie noch nicht mal geküsst hatten. Dann tut der Korb richtig weh. Sicher gibt es auch Typen, die jedes Wochenende betrunken in der Großraumdisko stehen und wahllos Frauen anmachen. Denen ist ein Korb vielleicht eher egal. Aber um solche Männer geht es ja nicht in meinem Buch.

Abgeblitzte Frauen gehen ihre Niederlagen immer und immer wieder im Kopf durch, besprechen mögliche Gründe stundenlang mit ihren Freundinnen...

Echt? Schlimme Vorstellung. Bei Männern ist das definitiv anders, wir tun alles, um möglichst nicht darüber nachdenken zu müssen. Und darin sind wir ganz gut. Außerdem tendieren wir dazu, eine Frau nachträglich schlecht zu machen. Wir reden uns dann ein, die Frau sei arrogant und überheblich oder einfach charakterschwach. Die Selbsttäuschung geht so weit, dass wir uns einreden, in Wahrheit hätten wir den Korb ausgeteilt. Klingt dämlich, ist aber so.

Auch im Zeitalter der Emanzipation erwarten viele Frauen, dass der Mann den ersten Schritt macht. Fühlen sich Männer von dieser Erwartungshaltung unter Druck gesetzt?

Auf jeden Fall. Zum Glück sind die Rollen nicht mehr so starr verteilt wie noch vor 40 Jahren, aber am Ende läuft es genau darauf hinaus: Der Mann trägt das größere Risiko und blamiert sich. Das Schlimme dabei ist, dass heutige Männer von ihren Eltern so sensibel erzogen wurden, dass Körbe umso mehr schmerzen und man sich unendlich selbst bemitleidet. Einer meiner Protagonisten im Buch spricht von der „Generation Nasenbluten“. Zu der gehöre ich auch, fürchte ich.

Wenn man die Frauen auf sich zukommen lässt, könnte man der Gefahr einer Abfuhr aus dem Weg gehen. Magst Du den aktiven Part des Mannes?

Den mag ich überhaupt nicht. Aber das „Auf-sich-zukommen-lassen“ funktioniert ja immer nur bis zu einem bestimmten Punkt, wo alles noch schön uneindeutig ist und im Nachhinein so oder so ausgelegt werden kann. Wenn es darauf ankommt, trägt meistens der Mann das Risiko. Kann aber auch sein, dass wir einfach zu ungeduldig sind.

Nicht in die Offensive zu gehen, ist also auch keine Lösung. Was würdest Du Männern raten, die sich so sehr vor einer Abfuhr fürchten, dass sie sich einfach nicht trauen, auf eine Frau zuzugehen?

Es gibt eine ganze Reihe von Regeln und Hilfsmitteln, von denen auch einige im Buch beschrieben werden. Zum Beispiel die Zwei-Minuten-Regel: Eine Frau, die man interessant findet, muss man innerhalb von zwei Minuten ansprechen oder es für immer bleiben lassen. Das schützt vor Selbstzweifeln. Viele andere Regeln scheinen mir eher grenzwertig, aber das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe sie nur aufgeschrieben.

Frauen sind das feinfühlige Geschlecht, doch wie feinfühlig verhalten sie sich, wenn sie Körbe verteilen? Gibt es Ausreden, die Männer immer wieder zu hören bekommen?

Tatsächlich sind Frauen viel ehrlicher als Männer. Sie sagen oft einfach, was Sache ist. Dass sie keine Gefühle haben und dass da nichts laufen wird. Männer schieben dagegen die abwegigsten Begründungen vor.

Was müsste eine Frau Deiner Meinung nach sagen, um einen Mann so wenig wie möglich zu verletzen, aber ohne ihn im Unklaren zu lassen?

Einfach in seiner Gegenwart von einem anderen Mann schwärmen! Auch wenn es den in Wahrheit gar nicht gibt. Und zwar so frühzeitig und massiv, dass der reale Mann es auch begreift. Dann nimmt er es nicht als persönliche Niederlage, sondern denkt eher: „Oh, da war wohl einer schneller als ich.“ Allerdings habe ich auch einen Fall erzählt bekommen, wo das nicht funktioniert hat. Der Mann hatte sich dann einfach eingeredet, sie wolle ihn bloß eifersüchtig machen.

Hartnäckigkeit hat in den seltensten Fällen geholfen. Wann ist es sinnvoll, trotz einer Absage am Ball zu bleiben? Gibt es Geschichten, bei denen aus einem Nein schließlich doch noch ein Ja wurde?

Die gibt es. Aber das waren jeweils sehr spezielle Umstände, und die Wahrscheinlichkeit liegt im Promillebereich. Grundsätzlich gilt natürlich: Wer „Nein“ nicht als „Nein“ begreift, sollte besser ganz die Finger von Frauen lassen.

Trotz der vielen Niederlagen gibt es in Deinem Buch auch Happy Ends – ein Hoffnungsschimmer am Horizont für alle abgeblitzten Männer dieser Welt?

Ja, vielleicht. Aber die eigentliche gute Nachricht des Buches ist doch, dass die Welt wegen eines Korbs nicht untergeht. Auch wenn es einem erst mal so vorkommt. Jedes verdammte Mal aufs Neue.

Sebastian Leber: „Abgeblitzt - 33 Männer berichten von herzzerreißenden Abfuhren, schmachvollen Niederlagen und unerwiderten Gefühlen“. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 240 Seiten, 9,90 Euro. 

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