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Als das Kind Kind war, sah es auch aus wie ein Kind. Jedenfalls Max.

© privat

Jugend denkt übers Alter nach: Baby Hipster

Kinder in Hipster-Klamotten, auf hohen Absätzen, mit iPhone und verrutschter Wimperntusche - Eltern, lasst den Kurzen ihre Kindheit! Ein Plädoyer von Max, 18 Jahre.

Letztens drückt mir meine Mutter mit breitem Grinsen Fotos von einer Einschulung 2005 am Gymnasium in die Hand. Mir blickt ein 1,45 Meter kleiner Junge mit blondem Topfschnitt, Zahnspange und Hochwasserjeans entgegen. Sein blaues Polohemd hat er sorgfältig in die kurze Hose mit Gürtel gesteckt. Der viel zu fest gezurrte Riemen der mit Rennautos bedruckten Schultasche drückt die Oberarme leicht in die Höhe, was nicht von den geringelten Socken in beigen Sandalen ablenkt. Auf dem Foto sieht man mich im Alter von zehn Jahren.

Heute bin ich deutlich hipper angezogen und geh immer noch aufs Gymnasium. Die Kinder, die jetzt eingeschult werden, lösen leider kein Gefühl von nostalgischer Wehmut in mir aus. Entgeistert schaute ich neulich auf dem Schulhof einem dicklichen Jungen hinterher, der an mir vorbei rannte, offensichtlich beim Fangen spielen, und dabei krampfhaft versuchte, seine Baggy Jeans mit der linken Hand festzuhalten. Mit der Rechten strich er sich routiniert eine braune Strähne aus dem Gesicht, damit sie sich zu den anderen perfekt zur Seite geföhnten Haaren einreihte. Er trug ein T-Shirt, auf dem stand: "My body is an instrument - play it!" Er reichte mir ungefähr bis zur Hüfte. Unfreiwillig beeindruckt, den Gedanken daran, das Jugendamt zu alarmieren, im Kopf, drehte ich mich um. Mein Blick fiel auf ein Mädchen stakste mir entgegen, nicht älter als zwölf, mit einem Ausschnitt, der in seiner Sinnlosigkeit nur von ihren hochhackigen Schuhen übertroffen wurde. Ihre Finger flogen über das Iphone 4s in Weiß. Einen Teil der Wimpertusche hatte sie sich versehentlich auf die Wange geschmiert, am liebsten würde ich meinen Zeigefinger befeuchten und es abrubbeln.

Ich will hier nicht auf erwachsen machen und die neuen Modeerscheinungen verurteilen. Ich will die Eltern verurteilen, die ihre Kinder so herumlaufen lassen! Das Bestürzende ist nämlich, dass sich an der Reife der Kinder im Vergleich zu meiner Generation nichts geändert hat. Noch immer reden sie gern über Fußball oder Computerspiele, für die sie eigentlich noch zu jung sind, noch immer kommen sie komplett verschwitzt aus der Pause zurück, weil sie sich gerauft haben, nur dass sie jetzt auch noch cool sein müssen, um nicht negativ aufzufallen! Mein Sohn wird keinen langen H&M Mantel tragen, der über den Boden schleift. Meine Tochter wird keine Tops mit tiefem Ausschnitt tragen, bis sie 21 ist. Ok, das ist etwas übertrieben. Der Punkt ist: Kinder tragen das, was die Eltern ihnen kaufen. Wenn Mutti sich anzieht wie Madonna, Vati gern in Skaterklamotten Tretroller fährt, dann werden sie ihren Sohnemann zwangsläufig wie Justin Bieber ausstaffieren. Tim-Lukas hat in zartem Alter mit dem Trend zu gehen so wie seine Eltern im hohen. Ich wünsche mir Fünftklässlerinnen, die Springseil springen oder sich abklatschen, nicht welche, die über die neue Folge von Germanys Next Topmodel diskutieren. Ihr habt uns schon ein Jahr Schule gestrichen – nehmt uns nicht auch noch unsere Kindheit!

Max Deibert

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