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David sucht vergeblich klare Ansagen.

© privat

Jugendliche und Datenüberwachung: Könnt ihr bitte mal Profil zeigen?

Die Prism-Affäre müsste doch eine Steilvorlage für Politiker sein, Stellung zur Datenüberwachung im Netz zu beziehen. David, 16, versteht nicht, warum noch nicht einmal die Piraten diese Chance ergreifen.

Neulich auf dem Schulweg: Auf einmal habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Werde ich paranoid? Ich fühle mich, als sei ein NSA-Satellit auf mich ausgerichtet. Ich verfluche schon mein Gehirn, da erspähe ich den Grund, warum mein Unterbewusstsein Alarm schlägt: Eine Kuh starrt mich von einer Laterne herunter an! Direkt darüber lese ich: „Was der Bauer nicht kennt, fress ich nicht.“ Ich atme auf: nur ein Wahlplakat der Grünen...

Als ich mich umgucke, sehe ich noch viel mehr Plakate, meistens von den Piraten oder den Grünen. Die Alternative für Deutschland fordert „Mut zur Wahrheit“ und behauptet, dass der Euro Europa spaltet, die FDP erklärt: „Mehr Bildung. Mehr Chancen. Nur mit uns.“ Die CDU präsentiert sich in einem ungewohnten Orange und schreibt: „Gemeinsam erfolgreich. Für Deutschland.“, was sich meiner Meinung nach nur geringfügig von dem „Das WIR gewinnt“ der SPD unterscheidet, das allerdings – auch ungewohnt - unter einem lächelnden Peer Steinbrück steht.

Doch dann sehe ich etwas, was mich fast schockiert: ein Wahlplakat der Piraten, das nichts mit Internet zu tun hat! Auch von diesem Plakat herunter werde ich angestarrt, allerdings von einem Menschen, unter dessen Bild steht: „Warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen.“ Wahrscheinlich wollen die Piraten damit „Profil zeigen“  – aber offensichtlich haben sie ihr Kernthema vergessen. Eigentlich ist es doch der Jackpot, wenn die Prism-Affäre in die Wahlkampfzeit fällt – doch nur ein kümmerliches Plakat zum Thema Überwachungsstaat finde ich.

Das ist aber immer noch viel mehr als das, was die anderen Parteien machen. Ich verstehe das nicht: Snowdens Schicksal wäre doch eine Steilvorlage für Politiker, Stellung zu beziehen. Klar, keiner will im Wahlkampf irgendeine Wählergruppe vergraulen. Doch am Ende ist es so schlimmer, weil nichts gemacht wird. Ist ja schön, wenn die Amerikaner sich ausspionieren lassen wollen, aber ich als Deutscher habe ein Recht auf Privatsphäre. Warum traut sich keiner, Druck zu machen? Wir brauchen internationale Beschlüsse über Datenschutz im Internet, in denen es nicht nur um die Rechte der Musik- und Filmindustrie geht, sondern auch um die der Bürger. Ich wünsche mir deutsche Politiker, die realisieren, dass wir nicht vor dem Big Brother USA kuschen müssen. Außerdem müssen die Amerikaner verstehen, dass sie kein Recht haben, unsere Verfassung zu missachten.

David Fresen

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