zum Hauptinhalt
RebeccaGROSS

© ddp/Axel Schmidt

Junge Autorin: "Ich wollte nicht schocken"

Rebecca Martin, 18, hat ein Sexbuch geschrieben, über das nun alle mit der Kreuzbergerin reden wollen. Dabei geht sie auf eine behütete Schule, mag Kühe und empfiehlt gegen Liebeskummer – "ein Steak".

Das Wichtigste zuerst: Rebecca Martin kramt Zigaretten und Feuerzeug aus der Tasche und legt beides griffbereit auf den Tisch – gleich nachdem sie ins weiche Polster geplumpst ist. Gerade ist Rebecca im plüschigen Wohnzimmercafé „Hubertuslounge“ in Kreuzberg angekommen, um das zu tun, was zurzeit ihre Dauerbeschäftigung ist: Über ihren Roman „Frühling und so“ reden, der vor kurzem erschienen ist. Und natürlich über den ganzen Sex, der darin vorkommt. Und um es mal vorwegzunehmen: Sex traut man ihr durchaus zu.

Kleidchen, Stiefel, Spitzen-BH. Lieblingswort: Krass

Rebecca – große Augen, Pausbacken, Kindchenschema, Lieblingswort: krass, lila Kleidchen, das gerade eben den Hintern bedeckt, hohe Stiefel, tiefer Ausschnitt, hervorblitzender Spitzen-BH, Blüten als Ohrstecker und auf dem Haarreifen, Glitzerzeug um die Augen.

Vor allem aber: Welche andere 18-jährige Kreuzbergerin kann schon ein Erstlingswerk mit einer Auflage von 100 000 Stück vorweisen. „Eine Dimension, die ein bisschen absurd ist“, sagt Rebecca. Aber bevor es richtig losgeht, muss sie noch etwas anderes Wichtiges tun: Ein großes Stück Kuchen ordern, mit ganz viel Sahne und eine Latte Macchiato mit viel Milchschaum.

Und damit wären wir eigentlich auch schon beim Buch. Nämlich bei Raquel, der 17-jährigen Ich-Erzählerin mit den vielen ausführlich beschriebenen Sexabenteuern, deren Gedanken sich „im Wesentlichen“ um „Männer und Kuchen“ drehen. Und der niemals der Appetit vergeht – selbst beim schlimmsten Liebeskummer nicht. Wenn man Rebecca so zusieht, wie sie genüsslich den Kuchen verspeist, denkt man unwillkürlich über die Parallelen zu ihrer Protagonistin nach. Aber nein, natürlich ist Raque

RebeccaCAFFEE
Mädchen mit Mähne. Sie ist die Tochter einer britisch-australischen Künstlerfamilie. -

© ddp/Axel Schmidt

l nicht Rebecca, das musste sie jetzt schon so oft versichern. „Ich mag eigentlich gar keinen Kuchen“, sagt sie und schiebt eine volle Gabel in den Mund. Bei Liebeskummer esse sie lieber ein Steak. „Aber jetzt hatte ich grad so Hunger.“

"Münchner sind voll angenehm"

Vor allem aber unterscheidet sie eins von Raquel: „Die hat diese Kreuzberg-Arroganz und denkt, dass das hier die Welt ist – wie so viele. Berliner gehen schon krass auf ihre Stadt ab“. Rebecca findet, das sei eine „Horizontbeschränkung“, die man „infrage stellen muss“. Sie ist in Kreuzberg aufgewachsen, wohnt mit ihrer Schwester am Schlesischen Tor, in einer eigenen Wohnung gleich neben den Eltern. Eigentlich mag sie es hier ja auch. Aber demnächst würde sie ganz gern mal wegziehen – nach New York „oder in die Pampa: Ich hab’ voll Bock auf Hühner und Kühe.“ Oder nach München, da hat sie Freunde. „Und die Jungs da sind so cool und voll angenehm. Ganz anders als die ganzen Individualisten hier, das sind lauter krasse Gestalten.“ Außerdem gebe es die Münchner meist im Zehnerpack.

Wie war das noch mal mit den Gedanken, die sich ständig um Jungs drehen? Dabei ist bei ihr in der Liebe im Moment „alles cool“, sie hat schon eine Weile einen Freund. „Aber eine endgültige Liebe gibt’s gar nicht.“ Noch so eine Parallele zwischen ihr und Raquel – beide wirken manchmal ziemlich abgeklärt und dann wieder ganz schön kindlich-naiv.

Aber so offen über ihr Sexleben reden wie Raquel – das mag Rebecca dann doch nicht. Und: „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass das Buch für so eine erotische Reihe sein sollte.“ Sie habe es einfach so geschrieben „wie man mit Freunden über Sex redet. Ich wollte nicht zwangsläufig Leute schocken. Es weiß doch jeder, dass Sex zum Leben dazugehört.“

Und das hört sich dann etwa so an: „Später zieht mich Tobias nach draußen, in einen Hauseingang neben dem Club, und ich weiß, dass ich verknallt in diesen Typen bin. Tobias steckt einen Finger in mich. Ich atme aus. Ich frage mich, warum das alle Männer immer wieder tun, den Finger reinstecken.“

Sie macht an der Waldorfschule Abitur

An der Rudolf-Steiner-Schule in Kreuzberg wird Rebecca, Tochter einer australisch-britischen Künstlerfamilie, demnächst Abitur machen: „Da geht es schon behüteter zu als an anderen Schulen in Kreuzberg – mit Korbflechten und so. Komisch ist nur, dass man in Kreuzberg lebt und trotzdem kaum Kontakt mit Ausländern hat.“ Die Schule sei schon irgendwie das Richtige für sie gewesen, aber andererseits steckt eine kleine Rebellin in ihr, die sich zu gern über das Schulsystem aufregt mit dem „ätzenden Frontalunterricht“ selbst auf der Waldorfschule. Und „übers Inhalte-Reindreschen im Deutschunterricht“. Mit dem kann die Autorin wenig anfangen. Und dann wettert sie auch gern über den „Druck der Gesellschaft, Abitur zu machen, um eine Perspektive im Leben zu haben.“ Dabei ist sie aber sicher, dass es bei ihr schon gut laufen werde mit der Zukunft. „Existenzangst habe ich nicht, das Wichtigste ist für mich Abwechslung.“ Demnäch

RebeccaMAGAZINNEU
Die Abiturientin. Rebecca geht noch zur Schule.

© ddp/Axel Schmidt

st würde sie gern mal wieder in einem Film mitspielen – sie war schon mehrmals als Nebendarstellerin zu sehen, ist seit vier Jahren bei einer Schauspielagentur: „Ich spiele immer die pubertäre Teeniezicke.“

 Ihre Gedichte? "Krass geschwollen"

Ob sie noch mal ein Buch schreiben will? „Das zweite wäre eine ganz andere Herausforderung. Das müsste perfekter werden, sich steigern“, sagt sie . Überhaupt kann sie Raquel und das Buch schon jetzt kurz nach der Veröffentlichung „nicht mehr so richtig nachvollziehen. Man überdenkt seine Meinung ja jede Woche. Und widerspricht sich dann selbst.“

Und was hält sie heute als Romanautorin von ihrem Auftritt als Poetin der Woche vor einigen Jahren auf der „werbin ich“-Seite? Sie guckt verblüfft und fragt: „Woher weißt du das denn?“ So richtig aus der Ruhe bringen kann sie diese Altlast nicht: „Das mit dem Gedichteschreiben war damals so ein Tick von mir. Da war ganz viel Schrott dabei, krass geschwollen und melancholisch pubertär.“

Jetzt ist sie da viel weiter. Dabei hält sie es eigentlich mit Pippi-Langstrumpf und „will nicht 19 werden“ , sagt sie und sieht dabei aus wie ein trotziges kleines Mädchen. „Und ich wollte schon mit 17 nicht 18 werden. Man wird so schnell alt.“

Rebecca löffelt den Rest Milchschaum genussvoll aus und dann muss sie los - in die UdK zu einem Theaterstück, in dem ein paar Freunde mitspielen. Und unterwegs noch zu McDonalds – Appetit hat sie immer. Dabei hat sie doch gerade gar keinen Liebeskummer.


"Frühling und so" ist bei Anais erschienen, dem Label vom Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf; Kosten: 9,90 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false