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Panorama: Kleine Meister aus dem FEZ

Mein großer Bruder sammelt leidenschaftlich Bonusmeilen, eine ehemalige Klassenkameradin singt Musicals auf sächsischen Bühnen, ein Ex-Mitschüler hat kürzlich in Greifswald sein Schiffsbau-Studium abgeschlossen, ein befreundetes Paar rennt wegen jeder kosmischen Staubwolke in die Sternwarte und die Lichtschalter in der Wohnung meiner Eltern blinken immer noch. Das alles sind mutmaßliche Spätfolgen des Sommerprogramms im FEZ Wuhlheide.

Mein großer Bruder sammelt leidenschaftlich Bonusmeilen, eine ehemalige Klassenkameradin singt Musicals auf sächsischen Bühnen, ein Ex-Mitschüler hat kürzlich in Greifswald sein Schiffsbau-Studium abgeschlossen, ein befreundetes Paar rennt wegen jeder kosmischen Staubwolke in die Sternwarte und die Lichtschalter in der Wohnung meiner Eltern blinken immer noch. Das alles sind mutmaßliche Spätfolgen des Sommerprogramms im FEZ Wuhlheide.

Ihre Wurzeln stammen aus einer Zeit, als FEZitty noch nicht erfunden war und das Freizeitzentrum „Pionierpalast Ernst Thälmann“ hieß. Wir hatten acht Wochen Sommerferien damals, also zu viele, um allein von Urlaubsreisen und sonstiger elterlicher Zuwendung bei Laune gehalten zu werden.

Deshalb stiegen wir morgens in die Straßenbahn Richtung Pionierpark und verschwanden im Palast: Mein großer Bruder in der Arbeitsgemeinschaft Flugmodellbau, die Klassenkameradin im Chor, der Mitschüler im Schiffsmodellbau-Kurs, das befreundete Paar (damals natürlich noch unschuldige Kinder) im Kosmonautenzentrum und ich in der Elektronik-Arbeitsgemeinschaft. Nachmittags fuhren wir beseelt wieder heim.

Je näher das Ferienende, desto fetter unsere Beute: Mein großer Bruder schleppte sperriges Geflügel aus Tropenholz nach Hause, die Klassenkameradin trug ein telegenes Lächeln im Gesicht und ein Pionierlied auf den Lippen, der Mitschüler bettete ein Kajütboot mit auf Knopfdruck sirrender Schraube in seiner Tasche, das befreundete Paar war bleich vom Zentrifugentraining in der Sojus-Kapsel und ich hatte Transistoren, Kondensatoren, Widerstände und Leuchtdioden zu einem Blinkgeber gelötet, der dank seiner kompakten Abmessungen in die Lichtschaltergehäuse unserer Plattenbauwohnung passte. Die Löcher für die Dioden bohrte mein Vater mit stolzem Lächeln auf dem Gesicht.

Wenn das neue Schuljahr begann, waren wir Pionierpalast-Kinder irgendwie bessere Menschen. Weil wir Dinge gebaut hatten, die man nicht kaufen konnte, und Abenteuer (Schwerelosigkeit!) erlebt hatten, die es in unserer kleinen Welt sonst nirgends gab.

Dass die besten Flugzeuge manchmal hinter dem Horizont verschwanden und die Pionierlieder nach der Wende out waren, ist eine andere Geschichte. Entscheidend ist, dass die Leute vom Pionierpalast fast das ganze tolle Ferienprogramm nach FEZitty gerettet haben. Wie gesagt: Hier beginnen Leidenschaften und Karrieren. In FEZitty gibt es ja sogar Bürgermeister und Stadträte. Warten wir mal ab, wo der Kanzlerkandidat des Jahres 2038 herkommt.

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