zum Hauptinhalt
Bitte lächeln! Gemeinsam auf das bunte Gemälde eines spannenden Lebens zurückblicken, so stellt sich unsere Kolumnistin das Altsein vor.

© privat

Kolumne: Was machen wir JETZT?: Das Feuer am Brennen halten

Hast du Angst vorm Altwerden? Das fragte Björn Stephan vor zwei Wochen. Unsere Kolumnistin antwortet ihm heute.

Neulich war ich in einem winzigen Kaff beim Mongolen essen. Mongolisches Grillbuffet, China-All-you-can-eat, Sauer-Scharf-Suppe – ein Hauch Exotik zwischen Eiche rustikal und Häkelgardine. Schon beim Reinkommen hängt das Selbstbedienungsschild schief, eine unfreundliche Kellnerin wirft Speisekarten vor uns auf den Tisch. In der Luft hängt ein saures Gemisch aus Eau de Frust und frittierten Tiefkühl-Garnelen.

Bräsige alte Männer sitzen ihren verhärmten Frauen gegenüber und schaufeln Reis in ihre Wohlstandsbäuche, sich anschweigend in der ewigen Spirale der totalen Anödung. Haus, Kinder, Enkelkinder, Hund – alles erreicht, bloß nicht ausbrechen aus dem eingefahrenen Weltbild. Die sind bestimmt auf ihre Weise auch glücklich, sie kennen es ja nicht anders. Über Ente knusprig gerate ich ins Grübeln, das Knirschen der drögen Panade übertönt meine Angst. Was, wenn ich später genauso dasitze und einfach nichts mehr zu sagen habe. Ein Mann, für den ich jegliche Bewunderung und Leidenschaft verloren habe, hockt mir gegenüber. Feuer aus. Ich will weg hier.

Haste gehört, was die von nebenan wieder verbrochen hat? Eine Schande, wie die Tochter auch wieder ausgesehen hat! Unfassbar. Viel unfassbarer als das leere Gelaber erscheint mir die Vorstellung, mir könnte es ebenso ergehen.

Dabei möchte ich es doch ganz anders. Mein Interesse für die Vielfalt der Welt soll möglichst wachsen und nicht auf den heimischen Fernseher oder das Unkraut im Vorgarten beschränkt sein. Ich sehe mich reisen, an meiner Seite derjenige, den ich mir ausgesucht habe, um mit ihm genauso alt zu werden. Gerne auch steinalt, mit vielen Runzeln, weißen Haaren und Stützstrümpfen. Und zu sagen haben müssen wir uns auch manchmal nichts, aber auf angenehme Weise. Gemeinsam dasitzen, Apfelschnitze essen und wissen, dass man auf ein buntes Gemälde eines spannenden Lebens zurückblicken kann und jede einzelne Falte erzählt davon. Mein Rollator berichtet von Knochenbrüchen beim Skateboarden, das Gebiss von zu viel Zuckerwatte auf der Kirmes und die Krähenfüße am Mund von Lachen bis zum Umfallen.

So und nicht anders wird es sein, denn man hat es selbst in der Hand, so glaube ich zumindest. Man kann sich entscheiden, sodass es am Ende nicht heißt: Du und ich, ich ohne Du. Wir nebeneinander, jeder für sich. Möchtest du noch ein Wurstbrot, ich geh’ schon mal schlafen. Gute Nacht!



Bist du ein Geizkragen?

Nächste Woche schreibt an dieser Stelle Björn Stephan

Constanze Bilogan

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false