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Im Namen der Pose. Eigentlich schmecken unserem Kolumnisten Zigaretten nicht. Aber im Club an der Bar zu stehen und zu rauchen, sieht einfach lässig aus. Wenn danach nur Klamotten und Haare nicht so stinken würden.

© privat

Kolumne: Was machen wir JETZT?: Das Nikotingesicht fürchten

Bist du Raucher? Das fragte Constanze Bilogan letzte Woche. Unser Kolumnist antwortet ihr heute

Meine neue Mitbewohnerin Miss Tessa ist Schauspielerin. Wenn ich mittags die Wohnung verlasse, hockt sie in der Küche und raucht. Wenn ich abends nach Hause komme, hockt sie in der Küche und raucht. Man kann es nicht anders sagen: Miss Tessa raucht Kette. Hat sie eine Kippe im Aschenbecher ausgedrückt, dreht sie sich gleich die nächste. Blättchen, Tabak, Filter. Rollen, kleben, anzünden. Alle ihre Freunde würden das so machen, sagt sie. Miss Tessa hat viele Freunde. Alles Schauspieler.

Neuerdings heißt es, nur noch Prolls würden rauchen, die Dummen, die Stumpfen. Weil die Klugen ja alle wissen, dass rauchen ungesund ist. Schlechte Haut. Gelbe Zähne. Gelbe Fingernägel. Raucherbein. Lungenkrebs. Stimmt alles, obendrein ist’s teuer. Trotzdem rauchen immer noch viele. Fast alle meine Freunde, und so prollig sind die gar nicht. Ich rauche ab und an. Okay, in letzter Zeit eigentlich jeden Tag. Aber nur zum Genuss. Und nur Menthol. Es gibt einfach zu viele gute Gelegenheiten: beim Zeitunglesen, nach getaner Arbeit, vorm Essen, nach dem Essen, beim Autofahren, am Strand, zum Bier. Rauchen ist Belohnung. Sich eine Auszeit gönnen, kurz abschalten, den Rauch in die Lunge suchten und weiter geht’s.

Einige Anti-Rauch-Aktivisten würden die Zigarette ja am liebsten verbieten. Aber ihren Abgesang auf die Fluppe haben sie zu früh angestimmt. In den coolen TV-Shows wird wieder gequarzt. Bei Roche und Böhmermann. Und auch Stuckrad-Barre pafft eine nach der anderen. Früher habe ich gar nicht geraucht. Fand ich widerlich. Jetzt find ich’s immer noch widerlich, wenn die Zunge nach durchrauchter Nacht im Club so pelzig schmeckt, als hätte man gerade einen Aschenbecher ausgeleckt. Wenn die Klamotten nach Qualm stinken, und die Haare. Hoffentlich bekomme ich nie so ein knittriges, vergilbtes Nikotingesicht – so gut schmeckt keine Zigarette. Aber ich rauche ja auch nicht, weil’s so gut schmeckt. Sondern weil’s so lässig aussieht, wenn man im Club an der Bar steht. Nur die Pose zählt.

Wann wir denn mit dem Rauchen aufhören wollen, fragte mich ein Kumpel letztens, als wir mit Miss Tessa in der Küche saßen. Mit 30, sagte ich, gib uns noch ein bisschen Zeit, wir haben doch gerade erst angefangen. Miss Tessa nickte und reichte mir das Feuerzeug über den Tisch.

Constanze, hast du einen grünen Daumen?

In zwei Wochen schreibt an dieser Stelle Constanze Bilogan

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