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Kolumne: Was machen wir JETZT?: Leichen sezieren

Was wolltest du immer werden? Das fragte letzte Woche Björn Stephan. Unsere Kolumnistin antwortet ihm heute.

Damals im Kindergarten gab es unter den Jungs einen beliebten Grund dafür, sich zu prügeln: Wer darf welches der anwesenden Mädchen später mal heiraten. Da wurden gegenseitig die Mützen in der Mülltonne versenkt, das Kunstwerk des anderen verhunzt oder heimlich Sand in fremde Brotboxen gefüllt. Schon da wusste ich, was ich auf jeden Fall in erster Instanz nicht werden will: Ehefrau.

Wie jedes andere Kind hatte ich auch damals die gängigen Berufswünsche und war zuerst fest davon überzeugt, ich werde Prinzessin, habe ein Schloss und Pferde. Vielleicht auch einen Prinzen, aber erstmal doch lieber Pferde. Dank späterer Reitstunden mit Reithelm anstatt Krönchen wurde mir schnell klar, vielleicht tut’s ein Bauernhof ja auch, dann aber ohne Bauer. Als ich wenige Stunden später, noch im Steigbügel hängend, vom Pferd hinterhergezogen und von der biestigen Reitlehrerin ausgelacht wurde, hatte sich auch der Hof erledigt.

Trotzdem hielt sich viele Jahre der Wunsch, doch noch mit Tieren warm zu werden und zwar als Retter in weißem Kittel. Als Dr.med.vet. Constanze Bilogan wollte ich Kanarienvögeln den Fuß eingipsen, Katzen Zahnstein von den Beißern fräsen und Kühen einen neuen Nasenring schießen. Ich stellte mir vor, wildgewordene Hunde mit meinem sanften Blick zu hypnotisieren, als Wundertierheilerin bekannt zu werden. Dann kam das Praktikum beim Tierarzt. Während der napoleongroße und genauso selbstbewusste Arzt an meinem zweiten Tag so tief mit dem Arm hinten im kranken Pferd drinsteckte, entfernte die Helferin vorne einen toten Zahn. Am dritten Tag suchten sie drei Stunden einen verlorengegangenen Hoden im Bauch eines Hundes und ich setzte gedanklich einen Haken hinter diesen Beruf und Tiere.

Der Schock saß tief, ich war verdorben und auf ewig aus meiner bunten Tierwelt vertrieben. Es wurde Zeit für Morbideres und einen anderen Dr.med. – die menschlichen Abgründe sind tief und natürlich braucht dieses Land mich, eine Rechtsmedizinerin, die dem schauerlichen Gestank des Todes ganz tief in den verwesenden Rachen schaut und dann souverän anmerkt: „Todeszeitpunkt zwischen 3 und 5 Uhr heute morgen. Leichenstarre vollständig, Totenflecke regelrecht ausgebildet!“ Oder so ähnlich. Dann hebe ich lässig das Absperrband des Tatorts, streife die Gummihandschuhe ab und fahre ins Leichenschauhaus, Maden untersuchen. Immerhin sind das auch Tiere.

Björn, bist du ein Lästermaul?

Nächste Woche antwortet an dieser Stelle Björn Stephan.

Constanze Bilogan

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