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© Thilo Rückeis

Schauspieler: Frederick Lau: Auf der perfekten Welle

Er ist Schauspieler, 18, er gewann den Deutschen Filmpreis und ringt mit dem Erwachsenwerden. Wir haben uns mit ihm in Schöneberg verabredet. Ganz brav auf einen Milchcafé.

Ziemlich nervös war er, als er auf die Bühne ging: „Am liebsten wäre ich sitzen geblieben“, sagt Frederick Lau jetzt, als wir uns mit ihm in einem Schöneberger Café treffen. Er bekam Anfang Mai den Deutschen Filmpreis als bester Nebendarsteller in Dennis Gansels Film „Die Welle“ überreicht. Seine Stimme zitterte, als er vor das Publikum der Preisverleihung trat. Aufregung und Überraschung standen ihm ins Gesicht geschrieben. Begeistert waren alle von seiner Rede, von seinem spitzbübischen Grinsen und davon, dass er als so junger Schauspieler ausgezeichnet wurde.

Frederick ist erst 18 und schon gut im Geschäft; der Deutsche Filmpreis tut ein Übriges dazu. Mit neun Jahren stand er das erste Mal vor der Kamera, in einer kleinen ZDF-Kinderproduktion, wo er als Dorfkind am Omnibusbahnhof in Berlin landet und sich dort mit einem Älteren befreundet. Dann kam viel Fernsehen und Kino: Von „Praxis Bülowbogen“ bis zur Erfolgsproduktion „Das fliegende Klassenzimmer“.

„Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes“, erzählt Frederick und grinst wieder so schelmisch wie auf der Filmpreisbühne Anfang Mai. „Ich wollte Eishockeyprofi werden“. Er spielte mit dem Puck seit seinem dritten Lebensjahr und hat das Trainung erst mit steigendem Erfolg als Nachwuchsschauspieltalent aufgegeben, mit 13. „Mir fehlt der Sport heute, ich habe einfach kein Hobby mehr.“

Mit 16 spielte er in dem Erziehungsdrama „Wer küsst schon einen Leguan“ mit und wusste: „Was ich hier mache, will ich mein ganzes Leben machen.“

Wer weiß das schon mit 16? Frederick lebt seinen Traum. Sein Leben verläuft so, wie er es sich vorgestellt hat. „Ich weiß, dass ich Glück hatte“, sagt er und trinkt einen Schluck Milchkaffee. Er hat aber auch hart gearbeitet. Während der Schulzeit drehte er, trieb Sport und hatte wenig Zeit. Er flog von der Schule. „Ich war auf dem Fichtenberg-Gymnasium, und die Lehrer waren nicht so sehr davon begeistert, dass ich wegen der Drehs oft gefehlt habe.“ Er wechselte auf die Private Kant-Schule und verließ sie mit der Mittleren Reife. Finanziert hat er die Schulausbildung von seinen Filmhonoraren.

Seit gestern steht Frederick im brandenburgischen Strausberg vor der Kamera: Er spielt in der Studentenproduktion einen Draufgänger, der mit seinem Kumpel einen Geldtransporter ausrauben will. Frederick mag das Prollige gerne, er ist kein Yuppie, kein Schnösel und kein Hochtrabender. Er ist jemand, den man geerdet nennen würde. Beim Halbfinalspiel am Mittwoch schaute er mit seinen Kumpels in der Luise – einer alteingesessenen Berliner Kneipe in Dahlem-Dorf – das Spiel und freut sich schon auf Sonntag und das Finale. Wo er das gucken wird, steht aber noch nicht fest, schließlich dreht er ja auch gerade.

Seine Freunde sind ihm wichtig, genauso wichtig wie sein Kiez: Lau wuchs in Steglitz und Friedenau auf. „Ich liebe Friedenau und wohne da immer noch. In dem Kiez gibt es so ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Da wohnen seine Freunde und seine Eltern, die ein kleines Trödelgeschäft im Steglitzer Kiez führen. „Das wäre mein Plan B gewesen: Ins Trödel-Business einsteigen“, erklärt er mit einem Augenzwinkern, denn Antiquitäten sind nicht sein Ding. Und einen wirklichen Alternativplan hat er auch nicht, braucht er auch nicht mehr, denn im Moment reitet er jobmäßig auf der perfekten Welle.

Sein Ziel ist es das Spielen zu perfektionieren. „Ich will mich verbessern, meine Chancen nutzen“, erzählt er plötzlich sehr ernsthaft. Er weiß, was er will. Die Arbeit an Rollen, die totale Identifikation, das reizt ihn und das prägt sein Spiel – ob in „Die Welle“ oder in Andreas Kleinerts Film „Freischwimmer“: Er geht in der Rolle auf, er spricht keinen Text, er reagiert nicht bloß auf Partner. Er lebt in der Rolle, sucht die Einheit mit dem Filmcharakter. Wenn er einen Film macht, arbeitet Lau monatelang: mit sich und mit der Rolle. „Ich muss den Typen spüren können und ich muss an den Punkt kommen, an dem ich nicht mehr überlegen muss, wie der reagieren würde. Ich muss einfach er sein.“ Bis zu zehn Mal liest er dann ein Skript, spricht den Text immer wieder, probiert Gesten und Mimik, testet die Stimmlage aus. Frederick oder Freddy – wie ihn seine Freunde nennen – liebt Filme über alles. Er schaut sich vieles an, er liebt Arthouse-Produktionen und weniger das kommerzielle Kino. „Das Einzige, was mich stört, ist das Getratsche der Branche“, sagt Lau.

Wenn sich alles so wie jetzt weiterentwickelt, will er später auch mal Drehbücher schreiben oder als Kameramann arbeiten. Aber erst mal wird er vor der Kamera stehen. Genügend Angebote hat er seit dem Deutschen Filmpreis. Er will jedoch keinen „Mist“ drehen, wie er sagt und wählt Neues sehr bedacht aus.

Faktisch ist Frederick erwachsen: Er hat einen Job, steht finanziell auf eigenen Beinen, lebt seinen Traum, wohnt in einer 50-Quadratmeter-Wohnung in Friedenau, aber er sieht sich ganz anders: „In meiner Arbeit bekomme ich alles gut hin, aber sonst bin ich total verplant. Ich schaffe es nicht aufzuräumen, meine Wäsche zu waschen oder zum Arzt zu gehen.“

Er lebt gerne in der Nacht, auch wenn er nicht ständig ausgeht. Er liebt die Ruhe und besondere Stimmung. Dann schaut er Filme oder hört Musik (am liebsten Hip-Hop und Reggae) in seiner Parterre-Wohnung. „Und ich schlafe viel und lang.“ Um acht Uhr morgens aufzustehen, ist defintiv nicht sein Ding.

„Erwachsen bin ich noch nicht und vielleicht werde ich das ja auch nie.“ In diesem Moment klingelt sein kaputtes Handy – die Rückseite fehlt – und sein Vater ruft an. Er hat ihm Jogurt und Eistee gekauft, das macht er ab und zu, wenn er sieht, dass sein Sohn nix im Kühlschrank hat. Frederick antwortet seinem Vater ins Handy: „Danke, ich gebe dir später das Geld.“ Und dann grinst er wieder so spitzbübisch.

Ric Graf

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