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Seitensprung

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Seitensprung: Ich hab’ mich verguckt

Die Freundin für eine Nacht vergessen, das schlechte Gewissen auch – neun Episoden übers Fremdgehen.

Sie hieß Lisa und liebte Pistazien, ich war sieben und liebte Lisa. Wir hatten den gleichen Heimweg, und jeden Tag machten wir nach der Schule Halt bei Luigis Eis-Palazzo, wo Lisa eine Kugel Pistazie bestellte und ich einmal Vanille. Jeden Tag ging das so, einen ganzen Frühling lang, und wenn man sieben Jahre alt ist, ist der Frühling so lang wie bei anderen Leuten ein ganzes Leben. Mein Leben gehörte Lisa, das wusste ich genau. Bis die Sommerferien kamen und ich Katja traf. Katja war elf und mit ihren Eltern ins Nachbarhaus gezogen. Gleich am ersten Tag zeigte ich ihr die Eisdiele, und ja, ich gebe es zu, ich ließ sie an meinem Vanilleeis lecken, und wenn in diesem Moment nicht Lisa in der Tür gestanden hätte, wer weiß, es hätte ein wunderbarer Sommer werden können. So aber begann eine frühkindliche Lektion in Abstreiten, Gestehen, Beteuern, Leugnen, Beschwören und Dementieren. Vanilleeis mag ich seitdem übrigens auch nicht mehr. Jens Mühling

Das erste Mal habe ich mit David beim Flaschendrehen fremdgeknutscht. Es war sehr viel Alkohol im Spiel. Ich war damals schon vier Jahre mit meinem Freund zusammen. Es lief gerade nicht schlecht, aber eben auch nicht gut. Als die Flasche auf David zeigte, grinste er mich erst etwas verschämt an, aus einem Kuss wurde wildes Knutschen. Am selben Abend schliefen wir auf der Gästecouch miteinander. In der Früh fuhr David mich nach Hause, wir schwiegen ein bisschen verklemmt, ich dachte und hoffte, es wäre eine einmalige Sache gewesen. Aber es ging weiter. Auf der Decke liegen im Park, Übernachten bei ihm mit der Ausrede, ich sei bei einer Freundin versackt. Ich wusste gar nicht, wie toll eine Affäre sein konnte. Heute weiß ich nicht mehr, wo ich so lange mein schlechtes Gewissen parken konnte. Nach einigen Wochen beichtete ich alles meinem Freund, verließ ihn. Kurze Zeit später waren meine Gefühle für David weg, einfach verpufft. Es war die Affäre gewesen, die mir so gut gefallen hatte – und nicht David. Theresa Selig

Ich mag Lenny Kravitz nicht, aber er hat mal ein Lied gesungen, von dessen Wahrheitsgehalt ich mich selbst überzeugt habe. „It ain’t over, till it’s over“, das stimmt, und es traf vor allem auf M. zu. Wir lernten uns im Frühling kennen, hielten uns einen Sommer lang an den Händen und gingen im Herbst wieder auseinander. „Es soll nicht sein“, sagte er. Ich heulte, war unglücklich, alles auf der Welt machte keinen Sinn. Ein Jahr lang, in dieser Zeit sang Lenny Kravitz immer wieder für mich: „So many tears I’ve cried, so much pain inside.“ Dann versuchte ich, mich mit V. abzulenken. Die Welt war nicht mehr ganz so grau. Bis eines Tages M. wieder vor meiner Tür stand. Herzflimmern. Magengrummeln. Die alten Gefühle – offenbar noch da. Ich war gelähmt. Er nahm mich in den Arm, drückte mich an sich. Und blieb die Nacht. Als er am nächsten Morgen ging, liefen mir wieder die Tränen über die Wangen. Vor Erleichterung. Ich wusste nun, dass es endgültig vorbei war. Mit V. kurz darauf auch. Anna Rosentreter

Julia war hübsch, frech, hatte tolle Augen und kurze blonde Haare. Wir kannten uns seit dem Kindergarten, quatschen oft beim kalten Glas Wein und super vertraulich, und natürlich kannte sie auch meine Freundin. Doch als wir auf einmal tief in der Nacht nebeneinander lagen, wussten wir nicht, was wir sagen sollten. Julia flüsterte: „Du, aber Freunde bleiben wir jetzt trotzdem, oder?“ Dirk Darkmann

Sie hat mich mit Lars betrogen, und zwar in unserer Stammdisko vor meinen Kumpels. Während unsere Lieblingssongs liefen. Ich erfuhr es gleich am nächsten Tag am Telefon, erst von Hendrik, dann von Klaas, dann von Thorsten. Als Heike abends vorbeikam, wollte ich nur noch eines wissen: Warum denn bloß? Es sei halt passiert, sagte sie. Und übrigens sei sie jetzt nicht mehr mit mir, sondern mit Lars zusammen. Er war damals Rockmusiker und stand mit seiner Band „Manic Depressions“ kurz vor einem Plattenvertrag. Die beiden sind bald zusammengezogen, weder von ihnen noch von der Band habe ich je wieder gehört. Ich hoffe, seine Band muss ihr Leben lang in Jugendzentren auftreten. Richard Reststolz

„Du?“

„Ja?“

„Ich, also … ich war ja Freitag beim Klaus, Grillparty und so.“

„Mensch, stimmt ja, und: war gut?“

„Ja, also: Nee, nicht so gut. Volleyball, Caipirinha und so, kennste doch.“

„… aber das hört sich doch super an, Schatz! Wer war denn so da?“

„Alle, na ja, fast alle. Ich mein’: Schade, nur du nicht. Deine Freundinnen habe ich auch gesehen, Tini, Katha und auch die kleine Rothaarige, die aus München.“

„Svenja!? Die habe ich ja lange nicht gesehen, wie geht’s ihr denn?“

„Mmh, ja, gut. Glaube ich. Hat nach dir gefragt, wo du denn steckst und was du so machst, und wie es uns beiden so geht, also beziehungsmäßig, ich mein’, wir sind ja schon lange zusammen und …“

„… hat sie denn jetzt einen Freund?“

„Nein, ähm, vielleicht. Hat sie nicht erzählt. Wir haben nur ganz kurz geredet.“

„Komisch. So was erzählt sie doch?“

„Weiß auch nicht. Wie gesagt, die Party war nicht so doll, ich bin ja auch früh gegangen, ist ja eigentlich auch egal.“

„Komisch. Was wolltest du denn sagen?“

„Nichts. Schon gut.“ Peter Schmit

Meine Schwester hatte alles perfekt geplant: Für acht Monate ging Julia als Au-pair nach Italien, ihr Freund Shaun blieb heulend zurück. Zu dieser Zeit hatte sie auch eine Beziehung mit Chris. Wie mit ihm abgesprochen, kehrte sie früher zurück, ihr eigentlicher Freund wollte sie einen Monat später vom Flughafen abholen. Alles lief gut, bis Shaun ihnen plötzlich bei einem Straßenbummel entgegenkam. Er fiel vor meiner Schwester auf die Knie und flehte sie an, zu ihm zurückzukommen. Sie zog zu Chris und der frischgebackene Exfreund schmiss all ihre Sachen einfach weg. Antonie Rietzschel

Der Beweis kam per Post. Ein dicker Stapel Fotos, die Paulas Freund in allen Lebenslagen zeigten, immer mit einem Mädchen an seiner Seite – und es war nicht sie selbst. Paulas Freund beim Spaziergang am See, beim Kuscheln auf dem Sofa – und im Bett bei der Zigarette danach. Die Absenderin: das Mädchen in seinen Armen. Paula warf ihm die Fotos vor die Füße. Er blieb ziemlich ungerührt: Er sei halt so, eine Frau sei ihm nicht genug. Sie müsse das verstehen, schwierige Kindheit und so: Papa sei auch immer fremdgegangen. Und der ist schließlich sein großes Vorbild. Und dann das Undenkbare: Er bat sich eine Woche Bedenkzeit aus. Ja, er!!! Um sich für eine von beiden zu entscheiden. Und das noch Undenkbarere: Paula hätte ihn sofort wieder in die Arme geschlossen. Daniela Martens

Svens Freundin Julia ist zu ihren Eltern aufs Land gefahren, das Wochenende will er allein mit den Jungs verbringen. Der Abend ist noch jung, doch Sven nach ein paar Bier schon in ziemlich angriffslustiger Stimmung. Im „SO 36“ in Kreuzberg passiert das Unvermeidliche: „Wollen wir knutschen“, fragt die flüchtig bekannte Katja angeheitert. Wenig später sitzen beide auf Svens Bettkante. Eines kommt zum anderen, Kondome werden nicht benutzt. Das Klingeln am Morgen beendet Svens kurze Nacht, verschlafen öffnet er die Tür – und schaut überrascht in Julias fröhliche Augen: „Ich bin früher zurück, Schatz.“ Zielstrebig geht sie in Svens Zimmer – und kann gerade noch erkennen, wie sich Katja unter der Decke versteckt. Schreie, Schläge, Schluchzen folgen. „Komm raus, du Schlampe!“, kreischt Julia und zerrt an der Bettdecke. Doch Katja mit ihren weiblichen Rundungen ist etwas kräftiger, sie hält panisch am Bettzeug fest, die Schläge steckt sie notgedrungen ein. Erst als Julia von ihr ablässt, um heulend auf Sven zuzustürmen, rennt Katja ins Bad und schließt sich ein. Sven und Julia trennen sich noch am selben Tag, er und Katja werden ein Paar. Wegen fehlender Kondome sind sie inzwischen zu dritt: Vom One-Night-Stand zur Kleinfamilie. Und das Beste ist: Happy sind die drei jetzt auch. Hannes Heine

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