Panorama: Sie sind gierig nach deinen Daten
Spion ist der Traumberuf vieler Jugendlicher - lässig wie James Bond, Erfolg bei Frauen, niemals Langeweile! Simon, 18 Jahre, stellt sich vor, wie trostlos das Leben von Geheimdienst-Mitarbeitern in Wirklichkeit ist.
Im letzten James-Bond-Film gibt es eine Szene, in der Daniel Craig von einem Zugdach in eine Schlucht fällt. Im darauf folgenden Moment liegt er mit einem Drink und einer leicht geschürzten Frau am Strand. Diese Mischung aus maximaler Anspannung und purer Lässigkeit ist anziehend – kein Wunder, dass Spion der Traumberuf vieler Jugendlicher ist. Ein Job, mit dem man Frauen verführen kann, in dem kein Arbeitstag dem nächsten gleicht und Geld keine Rolle spielt.
Leider findet man den Hollywood-Spion aber nur im DVD-Regal. Echte Agenten sitzen mit Mäusen und Tastaturen bewaffnet in den Rechenzentren weltweiter Geheimdienste. Täglich kämpfen sie sich durch abertausende Mails, stets auf der Suche nach geheimen Informationen. Computer an Computer sitzen sie zwischen ollen Pizzakartons und Kippenstummeln. Kalter Rauch liegt in der Luft. Pausenlos laufen grüne Textzeilen über die Monitore. Bärtige Männer, keine Frauen. Sie sind gierig nach deinen Daten. Sie kennen deine Geheimnisse. Und sie müssen stark sein, weil sie sich mit den MSN-Chats pubertierender Halbstarker herumschlagen. Paul kommt zu spät zum Fußball, Ina hat ihre Tage und Torben ist langweilig. Diese „Wie geht’s dir- Mir geht’s gut“ Kommunikation jeden Tag lesen zu müssen, das kann doch kein Mensch ertragen!
Der moderne Spion weiß alles, unternimmt aber wenig. Durchtrainiert sind allenfalls seine Synapsen. Lange Trainingseinheiten im Fitnessstudio werden durch Informatikstudiengänge und Gehirnjogging ersetzt. Trägt es zur weltweiten Terrorbekämpfung bei, dass Thorsten K aus Buxtehude Gummistiefel bei Amazon bestellt hat und Andrea Berg auf Facebook folgt? Oder ist es vielleicht interessant, dass Armin M aus Chemnitz die Bundeswehr liked und die deutsche Nationalhymne bei Youtube hört? Da muss blitzschnell geschaltet werden! Zum Glück bleibt dieser trostlose Job den amerikanischen Superhirnen überlassen, mir reicht mein eigener Internet-Spam. Ich muss jetzt auch Schluss machen, liki_Princess95 hat mich grade angestupst.
Simon Grothe
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