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Sport treibt Jugend: Wir sind Helden

Max,17, hat nichts gegen ein bisschen Leichtathletik. Aber sich gegenseitig den Schädel einschlagen wie die Footballer oder mit Prellungen und blauen Augen herumlaufen wie die Sportasse in den USA? Nicht sein Ding!

Ein Donnerstagabend im Mai. Jake und ich sind Freunde aus dem Leichtathletikteam der „Bishop Manogue Catholic High School“ in Nevada, wo ich ein Auslandsjahr verbringe. Auf meinen Wunsch unterbrechen wir unseren Trainingslauf, keuchend stütze ich meine Hände auf die Knie. Wir stehen auf einem Hügel, die verlassenen Baseball- und Fußballfelder sind in orange-rotes Licht getaucht. Nur das Footballstadion ist hell erleuchtet. Plötzlich durchbrechen die ersten Akkorde von ACDC´s „Thunderstruck“ die schwüle Stille. Gebrüll ertönt. Mit Schulterschützern bepackte Gestalten sprinten auf das Footballfeld. Sie schlagen sich gegenseitig liebevoll mit der Faust auf die Helme und mit der flachen Hand auf die Hintern.

Jake rümpft verächtlich die Nase, als er das Spektakel betrachtet. Die Aufschrift „Track and Field“ auf unseren gelben T-Shirts wird mit der rechten Hand halb verdeckt, als die amerikanische Nationalhymne ertönt. Selbst auf diese Entfernung hört man das Geräusch der aufeinander prallenden Körper, der Schiedsrichter pfeift, die Menge tobt. Jake und ich sind schlank und groß, wir würden auf diesem Feld keine zwei Sekunden überleben. Er stupst mich an: „Let´s move on, buddy!“. Wir setzen uns in Bewegung. Es gibt für uns keine 400 Meter-Bahn, das Stadion ist für die Footballer reserviert. Also rutschen, brechen und kratzen wir durch das trockene Gestrüpp Nevadas. In unseren Rücken erklingt ein lang gezogenes „Uuuuuuuh!“. 

Am nächsten Tag erzählte mir Kacey, dass in dem Moment ein Spieler gegen den Torpfosten gerannt ist: Helm und  Teil des Kopfes gespalten. „No big deal“, sagt Kacey. Er geht in die 9. Klasse, ist knapp 2 Meter groß und wiegt geschätzte 180 Kilogramm – der geborene Footballspieler. In seiner Altersklasse wurde er nicht mehr zugelassen, da die Verletzungsgefahr für die anderen Kinder zu hoch war. Man versetzte ihn in das Team der Oberstufe. Seine Zukunft ist also soweit sicher: Wenn er weiter erfolgreich spielt, wird er wie sein Bruder ein Stipendium für ein hoch angesehenes College ergattern, um für dessen Team zu spielen.

Ich finde dieses System der Talentförderung zwar einerseits sehr sinnvoll, weil es auch Schülern, die vor allem durch sportliche, nicht aber durch akademische Leistungen punkten – Kacey ist nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen – gehobene Bildung ermöglicht. Andererseits wäre durch eine Verletzung nicht nur seine sportliche, sondern seine gesamte Zukunft gefährdet.

Jake legt einen Sprint ein. Ich habe Probleme, hinterher zu kommen. Wenn es um Sport geht, wissen Amis das Äußerste aus sich herauszuholen:  Ehrensache, sich bei Sportverletzungen aller Art, Lappalien wie offenen Wunden, Prellungen oder blauen Augen, zusammenzureißen, am nächsten Tag cool und einbandagiert in der Schulkantine zu erscheinen und den Applaus der Mitschüler zu genießen. Die gleichen Typen fangen an zu heulen, wenn sie sich an einer Buchseite in den kleinen Finger schneiden. Vermutlich, weil ihnen das Gefühl so fremd ist.

Max Deibert

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