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Panorama: Tipps vom Fachmann

Schüler sprechen mit Alt-Bundespräsident von Weizsäcker über gutes und schlechtes Benehmen

Zehn Grundschüler aus Marzahn haben einen wichtigen Termin: Sie sind mit Richard von Weizsäcker verabredet. Über Benehmen wollen sie mit dem früheren Bundespräsidenten reden. Dazu haben sie gemalt und gezeichnet, Szenen mit höflichen und unhöflichen Personen. Die Bilder wollen sie ihrem prominenten Gesprächspartner zeigen, Anschauungsmaterial, das sie in den Händen festhalten können – schließlich sind sie aufgeregt.

Damit die Sieben- bis Elfjährigen nicht zu spät zu ihrer Verabredung erscheinen – denn das wäre schlechtes Benehmen –, trifft Erzieherin Sabine Balke mit ihnen besonders pünktlich vor dem Haus gegenüber dem Pergamon-Museum in Mitte ein. Unterricht verpassen die Schüler der Grundschule unter dem Regenbogen deshalb nicht. Es ist nachmittags 16.30 Uhr. Nachdem sie noch einige Schritte gelaufen sind, ist es Zeit für die letzten Vorbereitungen. Weizsäckers Büroleiterin begleitet die Kinder durch das Haus und führt sie in den richtigen Raum. Dort wartet schon Sonja Hoy auf sie.

Die pensionierte Lehrerin hat sich dem Thema „Benimm“ verschrieben und bringt Wachsenden und Erwachsenen in Kursen richtige Manieren bei. Die hat sie auch den Schülern aus Marzahn vermittelt. Um das Treffen mit dem Alt-Bundespräsidenten vorzubereiten, hat Hoy sie ein weiteres Mal besucht. Alle Schüler, die dabei sein wollten, sollten gut malen und zeichnen können, damit das Motiv auch erkennbar ist. Die Bilder der zehn kleinen Benimmexperten lassen keinen Zweifel daran. Sonja Hoy geht noch einmal die Reihenfolge mit ihnen durch, dann kommt Richard von Weizsäcker, dessen Terminkalender auch zwölf Jahre nach seiner Amtszeit prall gefüllt ist. Freundlich lächelnd kommt er schnellen Schrittes zur Tür herein.

Jedem Schüler drückt er zur Begrüßung die Hand, fragt nach Namen und Alter. Eine knappe Stunde schenkt er den jungen Gästen seine Aufmerksamkeit. Kai steht auf und setzt sich mit seinem Bild neben ihn. Es zeigt laut telefonierende Fahrgäste in einem Bus. „Es ist unhöflich, weil andere dadurch gestört werden“, erklärt der Schüler. Weizsäcker kann da nur zustimmen. Er sei häufig mit der Bahn unterwegs, und wisse wie lästig das sein kann. „Das Bild gefällt mir, es sollte in jedem öffentlichen Verkehrsmittel hängen“, sagt Weizsäcker. Ihn interessiert aber auch, was Kai im Bus mit seinem Handy macht. Der gibt kleinlaut zu, dass er dort auch manchmal telefoniert. Seine Mitschülerin Hai Anh hat sich einem Beispiel für gutes Benehmen gewidmet und zwei Kinder gemalt, die älteren Menschen im Bus ihren Platz anbieten. Richard von Weizsäcker kennt diese Situation, die ihm zu denken gibt. „Alte Leute möchten ja nicht zugeben, dass sie alt sind“, berichtet er.

Eine Schülerin hat einen Jungen gezeichnet, der seiner Lehrerin beim Büchertragen hilft. Sein Klassenkamerad nennt ihn „Schleimer“. Zu Weizsäckers Schulzeit habe es dieses Schimpfwort nicht gegeben. „Die hießen damals Radfahrer“, erzählt er. Weizsäcker ist begeistert von den künstlerischen Fähigkeiten der Kinder. Malen und Zeichnen sei nie seine Stärke gewesen. Er konnte sich mehr für Musik, für Trompetespielen und Singen, begeistern.

Zur Anregung für die Bilder brachte Sonja Hoy Karten mit in den Unterricht, auf denen Beispiele für gutes und schlechtes Benehmen stehen. Die Schüler haben sich überwiegend für Unhöflichkeiten entschieden. Lisa zeichnete einen Jungen beim Spaghettiessen mit einer Hand im Teller und Nudeln aus der Nase. Höflich sei das nicht, genauso wie lautes Schlürfen, das aber in einigen asiatischen Ländern dazugehört, berichtet Weizsäcker. Reni malte einen Hundebesitzer, der es ignoriert, wenn sein Hund Spuren auf dem Gehweg hinterlässt.

Mit der Ordnung tut sich auch Weizsäcker nicht immer leicht. „Es dauert eine Weile, bis man merkt, das Ordnung Zeit spart“, berichtet er. Er versuche jeden Morgen, bevor er ins Büro fährt, seinen großen Tisch mit viel Papier, Büchern und Stiften aufzuräumen.

Weizsäcker gefällt die Idee mit den Bildern: „Man lernt mehr, wenn man etwas selber macht und dabei Spaß hat“, sagt er. Gutes Benehmen mache das Leben freundlicher, weil es den Umgang erleichtert, und vor allem in anderen Ländern beim gegenseitigen Verständnis hilft. In Ländern wie Amerika sei ein höflicher Umgang zudem selbstverständlich.

Die Kinder haben auch Spaß mit Richard von Weizsäcker, der geduldig zuhört und sich mit ihnen über ihre Bilder unterhält. Als mehrfacher Großvater hat er Übung darin. „Es ist großartig bei einem richtigen Prominenten zu Gast zu sein“, sagt Antonia. Nur schade, dass sie sich nur über Benehmen unterhalten haben, als Zeitzeuge könnte Weizsäcker den Schülern mehr berichten. Zum Abschied schenken sie ihm einen bunten Blumenstrauß. Anna macht noch ein Foto von Richard von Weizsäcker für die Schülerzeitung Rainbownews. „Schickst du mir eine, ich möchte eure Zeitung kennen lernen“, sagt Weizsäcker. Annas Augen strahlen vor Freude.

Bevor sich die Schüler auf den Heimweg machen, gibt es von Sonja Hoy zur Belohnung noch Schokoküsse. Auch sie ist zufrieden mit dem Tag. Schließlich hat sie schon Routine im Arrangieren solcher Treffen: Vor ein paar Wochen hat sie Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl mit Benimm-Schülern zusammengebracht.

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