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Wehrdienst: Gehst Du zum Bund?

1945 haben die Alliierten beschlossen, die Deutschen zu Pazifisten zu machen – und genau das sind wir geworden. Unsere Unter-18-Redaktion fragt sich: Wehrdienst? Wir?

Obwohl uns bei der vorletzten Redaktionssitzung so viel zur Bundeswehr eingefallen war, dass wir sie zum Thema der nächsten Unter-18-Seite kürten, brauchten wir letztes Mal einigen Anlauf, um brauchbare Ideen zu finden. Die Bundeswehr entpuppte sich beim näheren Betrachten als ein komplexes Thema mit vielen Aspekten. Wir überlegten hin und her, ob es das richtige Thema für unsere Seite wäre.

Aus unserer Redaktion hat keiner die Absicht, zur Bundeswehr zu gehen, also betrifft sie uns eher über Freunde und Bekannte, vom Hörensagen. Schließlich fingen wir aber an zu diskutieren und fanden nach und nach einen Zugang zu dem Thema. Es kamen einige Fragen auf. Warum verpflichten sich manche freiwillig bei der Bundeswehr? Warum besteht für Frauen keine Wehrpflicht? Und warum braucht man in Deutschland überhaupt eine Wehrpflicht, warum klappt es nicht wie in den Vereinigten Staaten mit einer Berufsarmee? Und: Wie lässt man sich am besten ausmustern?

Auf all diese Fragen versuchen wir nun, auf dieser Seite eine Antwort zu finden. Julia Suris, 17 Jahre

Irgendwann ist für Jungs das Thema Bundeswehr dran

Heute ist jeder noch so kleine Zipfel vergeben, und ohne Weiteres kann man nicht in ein anderes Land einmarschieren. Klar ist, dass die Bundeswehr sich im Rahmen des Gesetzes bewegt; insofern kann man ihr erst mal mit einer gewissen Aufgeschlossenheit gegenübertreten.

Fakt ist auch, dass die Bundeswehr einer der größten Arbeitgeber Deutschlands ist. Also Karriere und Kohle kann man da machen, wenn man das möchte. Es geht heute um anderes als in früheren Zeiten: Piratenjagen vor Somalia, Evakuierung von Menschen aus Notlagen und schnelle Hilfe bei Naturkatastrophen – dafür braucht man eine Armee, die in erster Linie für Schutz sorgt und Präsenz zeigt, wenn es zu Konflikten kommt. Für mich sind das die wichtigsten Gründe für die Bundeswehr.

Bundeswehr bedeutet aber auch: Wehrpflicht, schwitzen und robben im Dreck, ans Limit gehen. Armee heißt immer auch Kriegseinsätze mit Waffen – und das ist für mich unvorstellbar. Denn eines ist dann klar: Der Tod sitzt mit im Boot. Aber wenn Menschen nicht ohne Armee auskommen können, warum führt man dann nicht in unseren modernen Zeiten eine Berufsarmee ein? Jeder, der bewusst mitmacht, weiß, worauf er sich einlässt. Die anderen – und zwar Jungs und Mädchen – machen ein soziales Jahr, das wäre doch sinnvoll.

Kriege gab es leider schon immer, und Gründe lassen sich immer finden. Am besten wäre es, wenn gelten würde: Erst denken, dann handeln! Dann bräuchte man die Armee gar nicht erst einsetzen. Henrik Hölzer, 14 Jahre

Patriotismus

Ich will Deutschland, mein Vaterland, verteidigen. Deutschland zu dienen, dafür bin ich geboren. Großartiges Land!

So etwas zu sagen, kann in Deutschland schnell nach hinten losgehen. In Amerika dagegen wird jeder dafür gefeiert. Dort brauchen sie keine Wehrpflicht, und wenn der beste Basketballer aller Zeiten in einer Dankesrede seinen Bruder erwähnt, der 20 Jahre bei den Marines war, wird zehn Minuten lang geklatscht.

Die Deutschen sind nicht stolz auf ihr Land. 2006 konnte man erstmalig wieder bei der WM die Deutsche Flagge aus dem Fenster hängen. Und stolz sein. Aber in der Schule wird Patriotismus regelrecht unterdrückt. Das Thema Nationalsozialismus wird wiedergekäut, in allen Fächern, durch alle sieben Mägen, bis es einem zum Hals heraushängt. Stolz auf Deutschland ist man dann echt nicht mehr. Was alles gut war an Deutschland, die Denker, Nobelpreisträger, Schriftsteller, Komponisten, Künstler, wird vernachlässigt.

In Amerika geben sie das genaue Gegenteil weiter. Wie sie die Unabhängigkeit erlangt haben. Wie toll die Wissenschaft ist, wie übermächtig das Militär und wie stolz sie auf ihr Land sein können. Irakkrieg, die Regierung Bush, die Wirtschaftskrise – alles unbedeutend. Die Marines werden von den Kindern vergöttert, im Kino läuft Werbung fürs Militär. Amerika kümmert sich aktiv darum, dass eine Wehrpflicht nicht vonnöten ist.

Es ist komisch – obwohl wir eine Wehrpflicht haben, sind junge Menschen in Deutschland freier darüber zu entscheiden, ob sie in die Armee wollen. In Amerika werden Kinder manipuliert und Soldaten zu Helden gemacht. Dort ist es regelrecht cool, im Militär zu sein.

Aber könnten wir nicht versuchen, ein gesundes Maß an Patriotismus zu erreichen? Und besprechen Nazideutschland einfach nur einmal? Dafür können wir umso mehr Goethe oder Schiller lesen. Viktor Kewenig, 16 Jahre

Mit der Gleichberechtigung ist das so eine Sache.

Wehrpflicht für Frauen – naja ...

Alle wollen sie und theoretisch gibt es sie ja auch, nur selbstverständlich ist sie nie geworden. Und wenn es um die eigenen Vorteile geht, fällt es oft sehr leicht, sie ganz zu vergessen, selbst wenn diese Vorteile auf altmodische Geschlechterrollen gebaut sind. Die Debatte um die Wehrpflicht für Frauen wird in Deutschland viel zu oberflächlich geführt – gerade, weil es so schwierig ist, dabei nicht auf Klischees zurückzufallen und sich selbst nicht zu widersprechen. Denn ich will auch nicht zur Bundeswehr. Obwohl die Wehrpflicht ja schon längst umgangen werden kann, habe ich, offen gesagt, Besseres zu tun, als darüber nachzudenken, wie ich mich ausmustern lassen kann.

Ich will nicht zur Bundeswehr. Aber doch nicht, weil ich schwach bin, oder weil es der friedlichen Natur der Frau widerstrebt zu kämpfen, oder weil ich zu Hause bleiben muss, um fleißig Kinder zu kriegen und meinen tapferen Kriegshelden zu bekochen. Sondern weil ich zu nichts gezwungen werden will. Weil ich finde, dass Menschen noch genug Freiheit haben sollten, um selbst über sich zu entscheiden. Weil ich kein Interesse daran habe zu lernen, wie man eine Waffe bedient, weil ich so etwas hoffentlich nie brauchen werde. Und mein Bett kann ich auch schon selbst machen.

Ich könnte jetzt sagen: Gebt den Frauen erst einmal gleiche Chancen und Löhne, dann reden wir über die Ausdehnung der Wehrpflicht. Aber kann man eine Art von Diskriminierung mit einer anderen rechtfertigen?

Eine relativ unkomplizierte Lösung wäre die Abschaffung der Wehrpflicht. Dadurch würden so gut wie alle Ungerechtigkeiten beseitigt. Viele andere Länder werden schon seit langem von einer Berufsarmee verteidigt. Warum sollte das nicht auch bei uns funktionieren?
Roberta Huldisch, 15 Jahre

Sieben Tipps

Sich ausmustern zu lassen, ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Hier sind sieben Strategien, die alle schon funktioniert haben. Ehrlich jetzt!

1.Du hast Angst vor kleinen Tieren. Sobald du einen Regenwurm oder eine Ameise siehst, haust du ab.

2.Du bist seit ein paar Monaten Veganer, weil du erkannt hast, dass du nur so deinen inneren Frieden finden kannst. (Anhand von Tests kann man medizinisch nachweisen, ob du in den letzten Monaten tierische Produkte zu dir genommen hast, also solltest du für ein paar Monate wirklich vegan gelebt haben.)

3.Du liebst Waffen. Du bist glücklich, endlich, endlich schießen zu dürfen, nachdem du jahrelang mit Computerspielen dafür trainiert hast. Du kannst es gar nicht erwarten, auf Menschen zu zielen anstatt immer nur auf eure Katze. Also, wo sind die Gegner?

4.Du kannst Menschenansammlungen auf den Tod nicht ausstehen, weil du dann das Gefühl hast, keine Luft mehr zu bekommen.

5.Du hörst eine Woche vor der Musterung auf zu duschen und dir die Zähne zu putzen. Generell legst du eher wenig Wert auf ein Sozialleben – aber du starrst sehr gerne Raufasertapete an.

6.Du hast Höhenangst. Ab einem Meter Höhe kriegst du Panik und schreist unkontrolliert. (Könnte allerdings sein, dass du im Innendienst landest).

7.Vor der Musterung kiffen. Funktioniert zwar – aber dein späterer Arbeitgeber darf in die Akten der Musterung einsehen.
Caroline Stelzer, 18 Jahre

Bundeswehr hat auch Vorteile

Wenn ich an die Bundeswehr denke, denke ich an Waffen, Krieg und Auslandseinsätze. Warum also sollte jemand freiwillig dort hin gehen? Ich finde es beachtenswert, dass es Menschen gibt, die dazu bereit sind, sich ausbilden zu lassen und im Zweifelsfall das eigene Land zu schützen. Berufssoldaten, die freiwillig im Ausland gegen Terror und Krieg kämpfen, werden meiner Meinung nach zu wenig geachtet. Wenn ich bei meinen Freunden nach der Bundeswehr frage, höre ich von den meisten sofort ein nein. Keiner von ihnen kann sich den Dienst an der Waffe vorstellen.

Dabei hat die Bundeswehr doch auch Vorteile. Zum Beispiel den Verdienst von fast 1000 Euro im Monat. Mit dem Geld kann man sein Studium, das erste Auto oder die erste Wohnung finanzieren. Die Bundeswehr bietet auch gute Berufs- und Ausbildungschancen. Ich hatte ein interessantes Gespräch mit einem 19-Jährigen, Israel P., der seinen Wehrdienst auf zwölf Monate verlängert hat. Nach diesem Gespräch kommt es mir nicht mehr so absurd vor, freiwillig zur Bundeswehr zu gehen, oder seine Zeit dort auch noch zu verlängern.

Er hat mir einiges erzählt. Er hat die Zeit zwischen Abitur und Studium genutzt, um zur Bundeswehr zu gehen. Ihm hat es dort gut gefallen, und er konnte nebenbei ein bisschen Geld ansparen. Wenn man sich von Anfang an für den längeren Wehrdienst entscheidet, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass man zu interessanten Lehrgängen geschickt wird. So ist es zum Beispiel für jemanden der freiwillig zusätzlichen Wehrdienst leistet deutlich wahrscheinlicher als für einen Grundwehrdienstleistenden, dass die Bundeswehr ihm einen Dienstführerschein bezahlt, der später ohne weiteres auch als ziviler Führerschein anerkannt werden kann. Das heißt, man bekommt ein Gehalt und kann Geld sparen und die Bundeswehr finanziert einem möglicherweise den Führerschein. Ich finde, das hört sich ziemlich gut an. Dass ich später nicht zur Bundeswehr gehen möchte, steht für mich aber jetzt schon fest. Katharina Uharek, 15 Jahre

Raus aus Afghanistan?!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

in den letzten Wochen häufen sich die schlechten Nachrichten aus Afghanistan. Auch wenn ich als Berliner Schüler weit weg vom Geschehen bin, beschäftigen mich diese Berichte sehr. Darum frag ich Sie: Was machen wir in Afghanistan? Sie begründen diesen Einsatz mit der Verteidigung der deutschen Sicherheit und wollen der afghanischen Zivilbevölkerung helfen das Land aufzubauen, aber in Wahrheit befindet sich Deutschland in einem Krieg! Einem Krieg in dem deutsche Soldaten regelmäßig sterben. Alleine bei diesem Wort „Krieg“ läuft es mir schon kalt den Rücken herunter. Was machen wir also dort? Gibt es nicht auf der ganzen Welt Bürgerkriege und Leiden? Warum ausgerechnet Afghanistan? Geht es denn wirklich um Demokratie und Menschenrechte, oder um ganz andere Interessen? Sind wir inzwischen dermaßen abhängig von den USA?

Natürlich haben wir dem Land und vor allem den Afghanen gegenüber eine gewisse Verantwortung, jetzt wo wir schon einmal dort sind, und ich verstehe, dass man den Hindukusch nicht Hals über Kopf verlassen kann. Doch kann man nicht auch friedliche, zivile Hilfe leisten, anstatt mit dem Militär anzurücken? Gibt es nicht genügend unabhängige Hilfsorganisationen und Experten, die dem Land helfen könnten eine funktionierende Demokratie aufzubauen?

Vielleicht bin ich zu naiv und mache es mir zu einfach, aber mir schießen so viele Fragen durch den Kopf, die bisher alle unbeantwortet blieben. Für mich zumindest Grund genug zu sagen: Raus aus Afghanistan! Leo Bruckmann, 16 Jahre

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