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Wir müssen REDEN (36): Eis, Eis Baby!

Waren deine Eltern streng? Das fragte Elena Senft vorigen Freitag. Ric Graf antwortet ihr heute.

Mein Vater und seine Freundin waren nie streng. Ich habe über deine Frage gestern Nacht, als ich nicht schlafen konnte, nachgedacht, mich zurückerinnert und mir wurde sofort klar, dass meine Erziehung doch sehr locker war.

Mein Vater hat mich früh mein Ding machen lassen, mit 13 durfte ich schon lange draußen bleiben, meine Hausaufgaben wurden nie kontrolliert und ich bekam für eine schlechte Note auch keinen Ärger, hatte nie Hausarrest oder musste sonst welche Strafen erdulden. Und so konnte ich auch keine Regel brechen, blieb also nur so lange draußen, wie ich wollte und nicht etwa, um meinem Vater eins auszuwischen oder gegen Regeln zu rebellieren.

Auch meine Freunde wurden antiautoritär – oder wie man es auch immer nennen mag – erzogen. Unsere Eltern kannten schließlich noch die strenge Hand ihrer Eltern und wollten bei uns ganz darauf verzichten. Bei meinem Opa (der Vater meines Vaters), der schon vor vielen Jahren starb, durfte ich zum Beispiel erst sprechen, wenn ich mein Essen aufgegessen hatte. Und egal, was es gab, ob fettige Blutwurst oder Rosenkohl (alles keine Leckereien für Kinder): Es musste aufgegessen werden. Mein Opa sagte immer grimmig: „Sonst wird das Wetter schlecht.“

Da ich ein äußerst unruhiges Kind war, konnte ich ihn schon damit provozieren, wenn ich etwas auf dem Stuhl, der viel zu groß für mich war, hin und her rutschte. Dann sagte er immer: „Du Zappelphilipp, sei endlich ruhig!“ Und immer, wenn ich bei ihm war, fühlte ich mich unwohl, weil ich diese Art der Disziplinierung als Kind nicht kannte – und auch nicht einsah.

Wenn es keine Rüge gab, ich also brav das tat, was er sich unter „gutem Verhalten“ vorstellte, gab es Eis für mich. Immer fruchtiges Wassereis. Jetzt muss ich beim Eisessen immer an Opa denken. Mein Vater verzichtete bei seiner Erziehung komplett auf die althergebrachte Methode: „Zuckerbrot und Peitsche“. Es gab weder Belohnungen noch Bestrafungen.

Erst als ich größer wurde und sich das Leben meines Opas dem Ende zuneigte – er wurde schwer krank – machte mich sein Verhalten ungeheuer wütend. Vielleicht weil ich einfach nicht verstand, was seine Prinzipien für einen Sinn machten. Strenge bringt nichts.

Elena, was macht dich richtig wütend?

Nächsten Freitag antwortet Elena Senft wieder an dieser Stelle.

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