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Stifte raus

© Doris Spiekermann-Klaas / Tagesspiegel

Wir müssen REDEN (38): Mein Buch der Sünde

Was war deine größte Sünde? Das fragte Elena Senft vorigen Freitag. Ric Graf listet alles auf – und antwortet (leicht angeschlagen nach einem Fahrradunfall in Charlottenburg).

Ich bin vorige Woche 23 geworden. Irgendwie ist dieses Alter komisch: Ich bin weder jugendlich noch erwachsen.

Ich habe in den vergangenen Tagen viel nachgedacht und in meinem schwarzen Notizbuch eine Liste mit Fehlern und Sünden angefertigt. Ich wollte mich mal testen und vor allem hinterfragen.

Also: Mit 15 habe ich mal per SMS Schluss gemacht, ich bin in einer Beziehung schon mal fremd gegangen, ich habe meinen Körper nicht immer nett behandelt, ihn richtig geschunden, und ich habe mit dem Fahrrad mal eine Taube überfahren. Ohne Absicht.

Am Mittwochabend fuhr ich mit Fahrrad durch Charlottenburg und wurde beim Abbiegen eines Autos geschnitten, wich aus und stürzte. Da man mich zu Ärzten zwingen muss, ging ich ins Bett und wachte gestern dann schweißgebadet mitten in der Nacht auf und dachte, ich sollte vielleicht doch mal ins Krankenhaus. Diagnose: Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. War das eine Strafe? Der Arzt sagte: „Was haben Sie denn angestellt, dass der da oben Sie so stürzen lässt?“ Und dann lachte er.

Nach dem Krankenhausbesuch habe ich mein Notizheft noch mal herausgeholt. Und mir fielen noch viel mehr Geschichten, kleine und große Sünden ein. Eine richtig große gibt es nicht. Aber in mir stieg so ein unwohles Gefühl auf und ich fragte mich, ob ich wirklich ein guter Mensch sei? Die Frage schlich sich an und überfiel mich. Was kann ich anders machen? Jugendsünden, Patzer und Fehler des Erwachsenwerdens verzeiht man, aber mit 23 sollte man doch vom Leben schon etwas mehr gelernt haben. Ich habe wieder gesündigt: Mein Kopf schmerzte und ich aß lieber ein Eis, als meine Nerven mit der Sündenfrage zu belasten.

Freitagabend werde ich feiern: Groß und mit vielen Freunden in einem kleinen Club. Und ich hoffe, keiner wird mich auf irgendeine Sünde ansprechen, denn was ich kapiert habe: Ich bin ein guter Verdränger. Also werde ich wohl erst einmal weiter sündigen, am Morgen verkatert aufwachen und hoffentlich den Gedanken los sein, dass ich ein schlechter Mensch bin. Wir alle sind Sünder.

Elena, machst du auch per SMS Schluss?

Nächsten Freitag antwortet wieder Elena Senft auf die Frage von Ric Graf.

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