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Wir müssen REDEN (56): Ich, Tollpatsch

Wem zeigst du den Mittelfinger? Das fragte Elena Senft vorigen Freitag – Ric Graf antwortet heute

Manchmal neige ich dazu, ziemlich tollpatschig zu sein: Anfang dieser Woche lief ich durch die Kreuzberger Bergmannstraße, in der einen Hand hatte ich ein Sandwich, in der anderen eine Flasche Eistee. Ich genoss die herbstlichen Sonnenstrahlen und stolperte über die Hundeleine eines Dackels, den ich genau wie das dazugehörige Frauchen übersehen hatte. Pech.

Mein Sandwich lag verteilt auf dem Bürgersteig, der Dackel schnupperte am Hähnchen und am Blattsalat, und plötzlich hörte ich nur noch das Lachen der Leute, die im Café ein paar Meter weiter saßen. Das Lachen machte mich wütend. Also zeigte ich denen den Mittelfinger.

Mir war das in der nächsten Sekunde schon wieder peinlich, ich zeige den nämlich sonst nie, na ja: fast nie. Vielleicht liegt das auch an dem oft gebrauchten, etwas peinlichen Ausdruck „Stinkefinger“. Außerdem muss man im alltäglichen Gebrauch mit einer Strafe rechnen, wenn man dafür angezeigt wird. Aber wenn du mich so fragst: Es gibt genug Leute, denen man mal auf dieser symbolischen Ebene begegnen sollte. Zum Beispiel jenem Typen, der mich vorgestern mit meinem Leihwagen zuparkte, sodass ich zu spät zur Autoabgabe kam und eine Stunde extra bezahlen musste. Dann verdienen alle Prolls, die in Clubs ohne Grund Stress machen, nichts anderes als den Mittelfinger, alle Leute, die sich über Kinderlärm aufregen, miese Chefs, die ihre Angestellten schikanieren, alle, die kein Herz haben und natürlich alle Nazis dieser Welt.

Manchmal weiß man sich eben nicht anders zu helfen. Das Problem ist nur, die Geste ändert überhaupt nichts. Und wirklich kreativ ist sie auch nicht.

Elena, was würdest ändern, wenn du Königin von Deutschland wärst?

Nächsten Freitag antwortet wieder Elena Senft.

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