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Graf

© Tsp

Wir müssen REDEN (74): Auf dem Ölteppich zum Traumjob

Was wolltest du früher werden? Das fragte Elena Senft vorigen Freitag. Ric Graf antwortet ihr heute.

Ich habe mal gelesen, dass frühere Berufswünsche immer ein Abbild der eigenen Träume sind. Ich wollte erst Pirat, dann Indianer, später Cowboy und schließlich Feuerwehrmann werden. Letzteres ergab sich aus einer einfachen Begegnung mit der Feuerwehr, als ich im Sommer vor gut 20 Jahren mit meinem Vater durch Kreuzberg fuhr, und wir an der Skalitzer Straße einen Ölteppich unter einem Auto sahen: Wir riefen die Feuerwehr, und da die einige Zeit brauchte, weil es kein Notfall war, wollte mein Vater nach Hause. Ich aber nicht. Als das Löschfahrzeug eintraf, und die Männer in voller Montur vom Fahrzeug stiegen, war ich begeistert: so viel Action, wow. Fortan wollte ich Feuer löschen.

In dieser Zeit suchte ich mit meinem Vater auch gerne Maikäfer, was mich auf die Idee brachte, Maikäferentdecker zu werden – die Tätigkeit des Feuerwehrmanns interessierte mich da schon nicht mehr. Irgendwann begriff ich, dass Maikäfersammeln kein Beruf ist, und ich als Indianer wohl keinen Job finden würde.

Dann kam die Phase, in der ich Postmann werden wollte. Sie hielt nicht lange an. Denn als ich mal einen Briefträger im tiefsten Winter sah, verging mir die Lust: Dieser vor Kälte bibbernde Mann tat mir einfach nur leid.

In der Pubertät wechselte ich meine Berufswünsche so häufig wie meine Klamotten. Mich interessierte irgendwie alles. Doch dann war klar: Ich werde kein guter Arzt, kein guter Anwalt, kein guter Schauspieler. Erbe oder Rentner – das hätte mich noch gereizt, nur waren die Möglichkeiten hier äußerst begrenzt. Mit 16 kristallisierte sich das heraus, was ich heute mache: Schreiben. All die fixen Ideen aus der Kindheit und der frühen Jugend waren schlagartig passé.

Eins habe ich begriffen: Wenn man im Leben glücklich sein will, und einem das Gefühl von Selbstsicherheit wichtig ist, dann darf man keine Kompromisse mit sich selbst eingehen. Der Beruf sollte das Abbild der eigenen Träume bleiben. Zumindest sollte man es versuchen. Und wenn man scheitert? Das versuche ich noch herauszufinden.

In jedem Fall musste ich gestern schmunzeln, als ich einen Brief an meine Krankenversicherung in den Briefkasten warf. Vor 13 Jahren wollte ich schließlich noch Postbote werde. Wie sich die Träume doch ändern.

Elena, wann hattest du den letzten Notfall?

In zwei Wochen antwortet Elena Senft an dieser Stelle.

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