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Wir müssen REDEN (76): Am Geburtstag durch die Pfütze

Wer kann dich nicht leiden? Das fragte vor zwei Wochen Elena Senft. Ric Graf antwortet ihr heute.

Es gibt Situationen, in denen man sich so sehr schämt, dass man nicht weiß, wie man mit ihnen umgehen soll. Vor einiger Zeit erzählte mir eine Freundin eine solche Geschichte: Vor langer Zeit studierte sie Kunst in Düsseldorf. Da sie fast mittellos war, lud ein Bekannter sie ein, bei ihm zu wohnen, er war ein wohlhabender Anwalt. Als Gegenleistung sollte sie ihm beizeiten ein paar ihrer Kunstwerke schenken. Sie zog ein, malte aber nicht, nur das Nötigste für die Uni. Sie verbrachte mehr Zeit in Kneipen als im Atelier. Der Anwalt war sauer und schmiss sie eines Tages raus. Einige Wochen später lief sie nachts durch die Stadt, es regnete und es war kalt. Sie sah den Anwalt auf der Straße, und da sie so sauer auf ihn war, schubste sie ihn von hinten in eine Pfütze. Als der Mann am Boden lag und sich umdrehte, merkte sie, dass er nicht der Anwalt war. Sie sagte: „Es tut mir leid, ich habe sie verwechselt.“

Am letzten Wochenende habe ich mich ebenfalls geschämt. Ich hatte mir im Kalender den Geburtstag eines alten Freundes für das kommende Wochenende eingetragen. Nur K. feierte bereits letzten Samstag seinen Geburtstag – mit vielen alten Freunden. Ihm war es wichtig, dass ich kam. Am Montag rief mich ein Bekannter an und fragte, wo ich denn war. Ich stammelte irgendetwas. Doch eigentlich saß ich bequem auf der Couch. Bis heute habe ich K. nicht angerufen. Ich weiß, er ist beleidigt und traurig, dass ich nicht da war. Und jeden Tag wird es nun schwieriger, mich bei ihm zu melden. Also, lieber K., es tut mir leid, ich habe es einfach falsch eingetragen! Das klingt leider auch wie eine Ausrede.

Ob er mich deshalb nicht mehr leiden kann, weiß ich nicht, das glaube ich auch nicht, aber sicherlich gibt es einige auf der Welt, denen es so geht: Meine letzte Affäre beendete ich per Mail, sie war wenig begeistert , meldete sich auf Hundertachtzig bei mir und hat den Kontakt abgebrochen. Das Stadtmagazin „Der Tip“ findet, ich sei peinlich und gab mir den Platz 63 unter den „100 peinlichsten Berlinern“. Man kann nicht immer von allen gemocht werden kann. Aber das stört mich nicht.

Wen hast du mal versetzt?

Nächsten Freitag antwortet an dieser Stelle Elena Senft.

Ric Graf

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