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© privat

Wir müssen REDEN: Meine Zeit wird kommen in 2010

Hattest du mal falsche Hoffnungen? Das fragte Elena Senft vor drei Wochen. Ric Graf antwortet ihr heute.

Man sollte sie – so heißt es ja- niemals aufgeben. Doch im Moment bin ich kurz davor, denn ich habe einen Freund sehr enttäuscht, dem es gerade nicht gut geht. Ich war nicht bei ihm. Und es gibt eigentlich keinen Grund dafür.

Ich habe die Hoffnung fast aufgegeben, dass er mit mir noch weiter in Kontakt bleibt. Er ist in einer Klinik, ziemlich isoliert von der Außenwelt, ziemlich auf sich gestellt, ziemlich einsam und ich konnte für ihn nicht so sehr da sein, wie ich wollte. Das tut mir leid.

Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass ich mich bessere, und er mir verzeiht und weiterhin vertraut. Das treibt mich im Moment jeden Tag um. Ich frage mich, ob die Hoffnung etwas bringt? Sie bringt nichts ohne mein Zutun. Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zur Hoffnung: Oft habe ich gehofft, dass etwas klappt – in der Liebe, in der Familie, in der Schule, im Job. Doch Hoffnung hat mir selten etwas gebracht, vielleicht ist es mangelnder Glaube. Entweder ich war für etwas verantwortlich, oder es war so, wie es war. Meine Abiturnote wuchs auf meinem Mist, und das Hoffen auf die große Liebe brachte nichts.

Ich glaube, zum Erwachsenwerden gehört vor allem die Änderung der eigenen Haltung: Ich wurde viel realistischer. Mit 16 habe ich mir vieles viel einfacher vorgestellt, als es dann tatsächlich wurde: Ich dachte nie, dass es mal schwer sein würde, Arbeit zu finden, dass man mal Geldsorgen haben würde, dass man nicht immer nur fit ist, und dass man nicht wie in einem Bilderbuch lebt. Früher dachte ich, Leben lebt sich so. Heute denke ich: Leben ist verdammt schwer.

Gestern traf ich eine alte Freundin in einer Bar und sie erzählte mir von ihrem Plan, der – wie sie sagte – „hoffentlich in Erfüllung geht“. Anfang 2010 will sie diesem Leben hier den Rücken kehren und in Lateinamerika in sozialen Projekten arbeiten. „Hier habe ich jedes Gefühl verloren, es fühlt sich alles taub an. Ich möchte mich endlich wieder spüren und meine Emotionen erleben. Ich will wieder Hoffnung, Freude, Sorge erleben – in Reinform.“ Erst verstand ich nicht, was sie meinte, dann wurde es mir aber Stück für Stück klar: Ihr geht es um ein Leben, in dem der Sinn des Ganzen erfühlbar wird. Ein Leben, in dem der Stand des Girokontos nicht so wichtig ist, genauso unwichtig, ob die S-Bahn aus technischen Gründen nicht fährt, oder die Autobahn gesperrt wird. Sie hat recht. Vielleicht sollten wir die Hoffnung, auf ein erfülltes Leben nicht aufgeben.

Elena, wolltest du mal abhauen?

Ric Graf

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