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World Wide WEG: Heißes Fest

Schnee zu Weihnachten? Gibt's in Australien auch. Nur ist er da aus Plastik. Und schmilzt trotzdem bei Temperaturen um die 50 Grad

Von: Julius Wolf

An: werbinich@tagesspiegel de

Betreff: Heißes Fest

Es ist heiß! Ich schwitze, ich fließe davon. Schon morgens um 7 Uhr haben wir an die 30 Grad. Gegen 12 Uhr überschreitet das Thermometer meist die 45-Grad-Marke. Das fühlt sich dann an wie 60 Grad. Wie in der Sauna. Man macht einen Schritt, Schweiß. Man rührt den kleinen Finger, Schweiß. Man braucht nur nachzudenken, Schweiß. Es ist Adventszeit. Wie soll bei gefühlten 70 Grad im Schatten vorweihnachtliche Stimmung aufkommen?

Die Geschäfte fangen an, besinnlich aufzurüsten. Weihnachtsmänner, Lametta, Christbaumkugeln, Engel, Rudolfpuppen und ausrollbarer Kunstschnee fürs Dach. Der Plastikschnee schmilzt genau wie richtiger bei den Temperaturen. Man feiert Weihnachten eben anders hier in Australien. Ohne Lebkuchen oder kandierte Äpfel. Es gibt keine Weihnachtsmärkte mit Zuckerwatte und Glühwein (ich schreibe „Glühwein“ – doppelt Schweiß). Glühwein in Badehosen und Flip Flops wäre auch irgendwie albern. Ich frage mich, wie sich die Kinder Santa Claus bei gefühlten 80 Grad in Mantel, Mütze und Stiefeln erklären.

Aber was soll’s. Kälte und Schnee krieg ich noch früh genug wieder. Ich sitze am Strand, schwitze, schaue dem Plastikschnee auf den Promenadenhäusern beim Schmelzen zu und genieße meinen kühlen Mango-Smoothie. Man muss sich anpassen. Die Australier heulen ja auch nicht. Denen ist dieser Sommer sogar fast zu kalt. Wärmer sei es normalerweise um diese Jahreszeit. Wie? Noch heißer als gefühlte 90 Grad geht ja wohl gar nicht. Ein Australier erklärt mir, dass es normalerweise von 16 bis 18 Uhr stürmt. Überreste vom asiatischen Monsunregen. Und die hinterlassen dann 70 Prozent Luftfeuchtigkeit bis zum nächsten Tag um 16 Uhr. Dieses Jahr bleiben die Stürme aus. Hab ich Glück!

Allzu lang muss ich nicht mehr aushalten. Ich war lange genug in Nordaustralien bei Temperaturen um den Siedepunkt. Zeit, an die Ostküste zurückzufahren. Da ist dann nämlich bald Winter. Australischer Winter zwar, also 15 Grad, aber immerhin. Wenn mein Zeitplan hinhaut, kann ich Weihnachten in Melbourne sogar ein bisschen frösteln. Zumindest geh’ ich davon aus, dass ich inzwischen bei Temperaturen unter 28 Grad anfange zu frieren. Bei 28 Grad liegt bestimmt der gefühlte Gefrierpunkt.

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