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World Wide WEG: ich@washington

Kurz vor ihrem Rückflug nach Berlin freut sich Wlada auf das, was sie in der Heimat erwartet. Doch bald stellt sich eine erste Ernüchterung ein

Von:

Wlada Kolosowa

An: werbinich@tagesspiegel.de

Betreff: Déjà-vu andersrum

Der Kreis hat sich geschlossen: Wenn es am schönsten ist, muss man die Taschen packen. Eigentlich kann ich diese Folge der Kolumne zur Hälfte aus der ersten copypasten: „Es wäre so einfach, zu bleiben. So schmerzfrei. So logisch. Endlich hat man das U-Bahn-Netz kapiert und den Weg zur Uni, zum Supermarkt und Lieblingsclub auf Autopilot gestellt. Seit kurzem fühlt sich das neue Leben endlich nach Alltag an und nicht nach täglicher Herausforderung. Und ich? Ich gehe und mache alles kaputt.“

Diese Zeilen habe ich im August 2009 geschrieben, kurz vor dem Abflug in die USA. Nun bin ich genau da, wo ich vor zwei Semestern war, nur auf der anderen Seite des Atlantiks. Die Gittersitze am Flughafen sind genauso unbequem wie damals, das Handyguthaben mit Abschieds-SMS leergemacht, das letzte Kleingeld für Kaugummi ausgegeben. Selbst das Gefühl ist das gleiche: vorfreudig-nostalgisch. Ich würde es am liebsten konservieren, um an weniger prallen Tagen daran zu schnuppern wie an Riechsalz.

Nur eins ist anders geworden: Ich. Vor einem Jahr habe ich noch geschrieben: „Vielleicht geht man auch um zu verstehen, was man zurücklässt. Und gestärkt zurückzukommen.“ Aber was ist, wenn man feststellt, dass das alte Leben an allen Nähten spannt und drückt? Wie viel Neues sich in einem Jahr ansammelt, merkt man nicht nur am Übergepäck (32 Kilo!). Ich wollte nie eine derjenigen sein, die nach ihrer Rückkehr ob Deutschlands die Nase rümpfen: so viel Fleisch mit Soße, so viele Miesepeter, so wenig Service! Aber bei der Passkontrolle auf deutschem Boden merke ich: Da ist was dran. Ich habe meinen amerikanischen Srahlemodus noch nicht verlassen und lächele. Der Flughafenbeamte starrt vor sich hin. Ich lächele breiter, er starrt immer noch. Ich lächele weiter, dann bewegen sich seine Mundwinkel: „Sie haben da was an der Backe.“ Flugzeugfrühstücksjoghurt.

Jemand Kluges sagte mal: Stereotype sind Statistiken, die sich niemand zu erheben traute. Im Ausland lernt man mehr über das eigene Land als über die Fremde. Dieses Meta-Wissen erschwert die Reintegration. Das Begrüßungskomitee am Flughafen erwartet die Wlada, die es vor einem Jahr verabschiedet hat. Natürlich kehrt keine gänzlich neue Person zurück. Aber ganz sicher eine Wlada +.

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