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Panorama: Werden wir alle Kalifornier?

Evolutionsforscher sagen, wie sich der Mensch entwickelt: Er soll schöner werden – und ein kleines bisschen dümmer

Die Evolution hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Zugegeben: Ganz perfekt sind wir nicht geworden. Zwar intelligenter als Affen, aber besonders hübsch sind die meisten von uns eigentlich nicht. Doch das muss nicht so bleiben: „Wir werden schöner sein und weniger schlau. Kurz gesagt: Die Zukunft ist Kalifornien", kommentierte die „New York Times" kürzlich Erkenntnisse aus der Evolutionsbiologie.

Wie bitte? Wir werden schöner, aber etwas dümmer? Bekommen wir alle eine Schwimmbadfigur? Nicht ganz so schlimm vielleicht wie Arnold Schwarzenegger, der ist außerdem gar kein richtiger Kalifornier, aber vielleicht wie die Strandboys und -girls bei „Baywatch“? Und gehen, wie die Kalifornier, unbeirrt von vielem Nachdenken ganz entspannt durchs Leben?

Tatsächlich rätseln Forscher schon lange darüber, wie der Mensch der Zukunft wohl sein wird. In einem sind sie sich jedoch meist einig: Wir werden intelligenter. Schließlich kennen sie das Prinzip schon aus der Geschichte: Egal ob unsere Vorfahren in der Steinzeit jagen, Werkzeuge bauen oder Bündnisse schmieden wollten – Intelligenz war von Vorteil. Schon vor Zehntausenden von Jahren wurde deshalb ein großes Gehirn von der Evolution gefördert. Warum sollte das in Zukunft anders sein?

Nicht so schlimm wie Schwarzenegger

Das Ganze ist allerdings ein bisschen komplizierter. „Die Evolution fördert nicht unbedingt die optimalen Eigenschaften", sagt Edward Hagen, Evolutionsforscher an der Berliner Humboldt-Universität. Es ist immer die Umwelt, die bestimmt, ob eine Fähigkeit von Vorteil ist. Also: Es könnte sein, dass dümmere Menschen heute besser durchs Leben kommen als nachdenkliche. Oder bei der Partnerwahl bevorzugt werden, weil sie ein angenehmeres Leben versprechen.

Das Argument dafür ist noch ein anderes. Um in der Evolution eine Chance zu haben, muss eine Eigenschaft vererbbar sein und zu einer erfolgreichen Fortpflanzung führen. Fachleute sagen, sie muss die „Fitness" erhöhen: Erst wenn jemand viele Kinder hat, werden auch viele seiner Gene an die nächsten Generationen weitergegeben.

Vereinfacht gesagt: Wenn Intelligenz vererbbar ist und intelligente Menschen viel Nachwuchs haben, dann werden wir immer schlauer. Heutzutage sei jedoch das Gegenteil der Fall, behauptete Ronald Fisher, einer der Gründer der modernen Evolutionstheorie. Das war in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, aber Grundlage für die Polemik in der „New York Times". Die Eliten, so Fishers Behauptung, hätten weniger Kinder als Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten. Ihre Intelligenz ginge deshalb über die Generationen verloren.

Das hat einen finsteren Beigeschmack. Solche Behauptungen sind aber auch nicht haltbar. „Es ist nicht bewiesen, dass Intelligenz genetisch ist", so Hagen. Und sowieso: „Aussagen darüber, wie uns die Evolution in Zukunft formen wird, sind nicht wissenschaftlich", sagt Hagen. Denn sie ließen sich nicht überprüfen. Die Evolutionstheorie macht Aussagen über die Geschichte, aber keine Prophezeiungen.

Schade. Schöner wären wir ja schon gerne geworden. So wie die Baywatcher und Wassernixen an den kalifornischen Stränden. In der Tat gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die trotz allem zumindest diese Voraussage plausibel erscheinen lassen. Sie kommen aus der so genannten Soziobiologie. Dieser Theorie zufolge wurde unser Aussehen und Begehren durch die „Sexuelle Auslese" geformt. Das Verhältnis des Hüftumfangs zum Taillenumfang etwa soll Männern von der Steinzeit bis heute darüber Auskunft gegeben haben, wie fruchtbar eine Frau ist. Deshalb wurden schlanke Taillen und eine Vorliebe dafür in der Evolution gefördert, so die Soziobiologen.

Frauen sollen dagegen besonders auf symmetrische Männer stehen. Denn das bedeute, dass sich deren Körper gut entwickelt hat, was wiederum auf Gesundheit schließen lasse. Kurz gesagt: Die Soziobiologen vermuten, dass unser Schönheitsideal nicht kulturell geprägt ist. Stattdessen haben wir dafür biologische, das heißt angeborene Kriterien. Werden sich im Evolutionsgeschehen der Zukunft dann nicht doch die schönen Menschen durchsetzen?

Wieder gibt es einen Einwand: Es ist gar nicht sicher, ob die Evolution auf uns überhaupt noch wirkt. „Zumindest in einigen Bereichen ist sie längst durch die Kultur, durch unser eigenes Handeln ersetzt worden", sagt Mark Stoneking, Evolutionsforscher am Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. „Zum Beispiel werden wir, wenn das Klima kälter werden sollte, nicht wieder ein Fell entwickeln; wir werden uns einfach wärmer anziehen."

Die Frauen entscheiden

Tatsächlich gibt es nur einen Bereich, in dem Wissenschaftler wirklich nachweisen können, dass sich noch heute die Häufigkeiten von bestimmten Genen in der Bevölkerung verändern, also die Evolution am Werk ist. Es handelt sich um solche Gene, die uns resistent gegen Infektionskrankheiten, zum Beispiel Malaria, machen. Für alles andere gibt es keine Beweise.

Vielleicht werden wir uns in Sachen Aussehen also mehr schminken und oder häufiger ins Fitness-Studio gehen. Aber ob wir biologisch schöner werden, ist nicht abschließend belegt. „Die meisten Untersuchungen zur Schönheit sind ohnehin mit Studenten in westlichen Ländern durchgeführt worden", sagt Stoneking. „Ob diese Kriterien auch für andere Kulturen gelten und gar angeboren sind, das ist fraglich." Es sei denn, das kalifornische Schönheitsideal setzt sich weltweit durch und Frauen bevorzugen Männer mit Waschbrettbauch, die gleichzeitig relaxed sind, einfühlsam und nicht so viel über Probleme nachdenken. Dann werden wir vielleicht alle so werden wie die Kalifornier. Wenn das alles wirklich weitergegeben wird, in welcher Form auch immer.

Wer aber schon einmal in Kalifornien war, der weiß, dass bei weitem nicht alle Kalifornier so sind wie Kalifornier. Jedenfalls nicht wie die kalifornischen Beachboys am Strand. Aber das könnte sich ändern. Nur eines ist schon sicher: Das passende südkalifornische Wetter bekommen wir Europäer bestimmt. Da bietet sich eine Baywatch-Figur als evolutionäre Anpassung geradezu an.

Elke Binder

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