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© dpa-Zentralbild

Wetter-Chaos: Luftbrücke nach Hiddensee

Eingeschneit auf Hiddensee: Jetzt ist die Bundeswehr im Einsatz, um Urlauber aufs Festland zu bringen und Bewohner zu versorgen.

Wer auf Hiddensee verweilt, genießt dort normalerweise eine einzigartige Ruhe. Am Mittwoch aber sehnten sich Einwohner und Urlauber nach ganz viel Krach. Er bedeutete Hoffnung und gab allen das Gefühl, nicht vergessen zu werden. So standen die Menschen schon am frühen Morgen an der längst unter einer dicken Eisdecke verschwundenen Uferkante im kleinen Dorf Vitte und blickten erwartungsvoll in den Himmel. Kurz vor 9 Uhr näherte sich dann ein großer Hubschrauber der Bundeswehr, dessen lauter werdendes Dröhnen die Gesichter der Wartenden sichtlich aufhellte. Wenig später folgte ein zweiter Helikopter. Während die Einheimischen seit Tagen auf Post, Zeitungen und Lebensmittel warten, bewegte die Urlauber nur noch ein Wunsch: „Runter von der abgeschnittenen Insel“. Seit Donnerstag vergangener Woche sitzen sie auf ihr fest, weil die einzige eisbrechende Fähre mit Motorenschaden ausgefallen war. Inzwischen sind die Eisschollen derart zu einer fast einen halben Meter dicken Barriere zusammengefroren, dass alle Eisbrecher kapitulieren müssen.

„Die Gäste sind doch gereizt gewesen“, sagte Bürgermeister Manfred Gau. „Einige brauchten medizinische Versorgung, andere mussten unbedingt an ihren Arbeitsplatz zurück. Manche standen am Dienstag stundenlang im Schnee, um dann doch wieder zurück in ihre Ferienquartiere zu müssen.“ Vor allem nach dem Abbruch einer ersten Luftbrücke mit Hubschraubern am Dienstag wegen heftigen Schneesturms kam es teilweise zu heftigen Unmutsäußerungen. Nur 25 der rund 100 Urlauber hatten einen der jeweils 50 Euro teuren Plätze in privaten Helikoptern ergattern können. Der Katastrophenstab des Landkreises Rügen, zu dem Hiddensee gehört, forderte deshalb für Mittwoch zwei Hubschrauber der Bundeswehr an. Der eine flog alle Urlauber zum fünf Kilometer entfernten Schaprode auf Rügen, während die andere Maschine Lebensmittel beförderte.

„Unser Einsatz beschränkt sich vorerst auf den Mittwoch“, sagte Bundeswehrsprecher Oberstleutnant Thomas Overhage. „Bei einer erneuten Anforderung stehen wir natürlich sofort wieder bereit.“ Eine andere Hilfe könne die Bundeswehr nicht anbieten. „Wir besitzen keine Eisbrecher“, erklärte der Sprecher.

Deshalb hat der Landkreis einen zivilen Hubschrauber verpflichtet, der auf unbestimmte Zeit den gesamten Personen- und Frachttransport zwischen Hiddensee und Rügen übernehmen soll. Derzeit halten sich etwa 800 Einwohner auf der 18 Kilometer langen Insel auf. An eine rasche Aufnahme des regulären Fährverkehrs ist in absehbarer Zeit nicht zu denken. Das 40 Jahre alte Schiff „Vitte“ kann nicht im Hafen repariert werden und muss zur Werft nach Rostock geschleppt werden. Dafür muss aber erst die Fahrrinne wieder befahrbar sein. Bis dahin könnte der Eisbrecher „Ranzow“ des Wasser- und Schifffahrtsamtes Stralsund mit 25 Plätzen einen erneuten Versuch starten. Am Montagabend hatte sich der stählerne Koloss im dichten Eis vor Hiddensee festgefahren. „Die Widerstandskraft des Eises war deutlich größer als die Antriebsfähigkeit des Schiffes“, sagte der Amtsleiter Holger Brydda.

Das Scheitern der Technik hat die Stimmung der festsitzenden Urlauber kippen lassen, die am Wochenende noch von einem „Abenteuer“ und „bester Laune“ geschwärmt hatten. Danach aber sahen viele keinen anderen Ausweg, als die gefährliche Passage zu Fuß über das Eis in Angriff zu nehmen.

Auch am Mittwoch machten sich wieder mehrere Menschen auf den waghalsigen Weg zwischen Hiddensee und Rügen. „Jetzt kommen Großstädter aus Berlin oder Hamburg, um hier einen Nervenkitzel zu erleben“, bestätige Erwin Kassupte, der das Treiben vom tief verschneiten Hafen in Schaprode verfolgt. „Die zeigen dann mit Stolz sogar ihre nassen Hosenbeine, weil sie irgendwo zwischen die Schollen gerutscht sind.“  

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