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Wetter: Was ist mit dem Sommer los?

Wer Glück hat, bekommt für einen kurzen Moment etwas Sonne ab. Ansonsten kennt der Sommer in diesem Jahr vor allem eines: Regen, Regen, Regen. Warum nur?

Auch in diesem Sommer wurden wieder Millionen Urlaubskarten und -SMS verschickt. Aber der Standardspruch „Hier ist es schön, und das Wetter ist toll!“ dürfte dieses Jahr nicht immer der Wahrheit entsprochen haben. Viele Ferienheimkehrer werden sich zum Schulstart wohl eher mit der Frage begrüßen: „War es bei euch auch so nass und kalt?“

Wieso hat es so viel geregnet?

In Deutschland und einigen Nachbarländern wie Dänemark und Polen gab es tatsächlich viel Regen, und besonders der Sommermonat Juli war vielerorts kälter als gewöhnlich. „Das liegt daran, dass die Tiefdruckgebiete oftmals an derselben Stelle festgehangen haben und dort zu ergiebigen Niederschlägen führten“, sagt Gerhard Müller-Westermeier vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Ursache für die „Tiefdruck- Fallen“ sind besonders stabile Bedingungen in der Atmosphäre. Sie schreiben den Schlechtwetterfronten einen bestimmten Weg vor und halten sie manchmal tagelang am selben Ort fest.

Vor allem an der Ostseeküste gab es darum reichlich Regen. Spitzenreiter war Rostock, wo im Juli fast 344 Liter pro Quadratmeter herunterkamen. Für Statistiker: Das sind 482 Prozent des langjährigen Juli-Mittels. Für Smalltalker: Das ist der Juli-Niederschlags-Rekord für diese Station, an der seit 1946 Daten erhoben werden. Auch andere Stationen im Nordosten registrierten im Juli und den ersten Augusttagen ein Vielfaches der üblichen Werte. In der Region Berlin-Brandenburg wurde immerhin noch anderthalb mal so viel Regen gemessen wie sonst in dieser Zeit, berichtet Ines Kappler von der DWD-Zweigstelle in Potsdam.

Außerordentlich kalt war es übrigens nicht. Die Daten der rund 2000 Messpunkte aus ganz Deutschland zeigen: Der Juni war sehr warm, der Juli kalt, der August bislang im Trend der letzten Jahre. „Alles ganz normal, normaler geht’s kaum“, sagt der DWD-Experte. Wer einen Rekordsommer sucht, muss ins Ausland schauen, in die USA zum Beispiel. Dort gab es eine wahre Hitzewelle, die den Juli zum viertwärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen Ende des 19. Jahrhunderts machte. In einzelnen Staaten des Südens, etwa in Kansas, Louisiana, Mississippi und Texas, belegte der Juli 2011 nicht nur Platz vier, sondern stellte einen Rekord auf, berichtet die Wetterbehörde NOAA.

War der nasse Sommer vorherzusehen?

„Nein“, sagt Müller-Westermeier vom DWD. Eine Wettervorhersage sei bis zu zehn Tage im Voraus möglich, alles was darüber hinaus geht, sei sehr unsicher. Allerdings entspreche das Wetter dieses Sommers nicht dem, was Klimaexperten als generelle Entwicklung erwarten, fügt er hinzu. Hierzulande rechnen sie im Durchschnitt mit steigenden Temperaturen, mehr Niederschlägen im Winter und trockeneren Sommern. „Der Temperaturanstieg ist messbar, auch die häufigeren Niederschläge im Winter.“ Die trockeneren Sommer seien in der Statistik noch nicht klar zu erkennen. Der Regen der vergangenen Wochen ist aus seiner Sicht trotzdem kein Gegenargument zu den Prognosen der Klimaforscher. „Mit Daten eines einzelnen Jahres kann man weder etwas beweisen noch etwas widerlegen“, sagt Kappler.

Ob es wenigstens ein schöner Frühherbst wird, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Tatsächlich gibt es neben der Wettervorhersage auch Langfristprognosen über mehrere Monate. Doch deren Trefferquote ist sehr gering, sie liegt nur knapp über dem Zufall. „Das Wetter ist eben sehr chaotisch, viele Randbedingungen kennen wir nicht genau“, sagt Müller-Westermeier. Eine zeitgenaue Prognose ist schwer möglich. Deshalb ist der Meteorologe bei Analysen wie der des europäischen Zentrums für Mittelfristprognosen sehr skeptisch. Aber auch die nächsten Monate sollen etwas kühler als der Durchschnitt ausfallen. Mal sehen.

Wo haben die Menschen bei dem miesen Wetter ihre Ferien verbracht?

Wer konnte, ist geflohen: „Regensommer treibt Deutsche an den Strand“, meldete zum Beispiel der Last-Minute-Anbieter L’Tur unlängst. Zum Ferienstart lagen die Buchungseingänge bei L’Tur rund 20 Prozent höher im Vergleich zum Vorjahr. Spanien, Türkei, Griechenland und Ägypten sind die Top-Reiseziele.

Im Deutschland-Tourismus „gibt es Gewinner und Verlierer“, heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Auf spontane Fahrten an die Ost- oder Nordsee hatten „viele keine Lust“. Wer an den Küsten jedoch schon Unterkünfte gebucht hatte, sei in der Regel auch dorthin gereist, sagt Dehoga-Sprecherin Stefanie Heckel. „Nach einem tollen Start im April und Mai hatten wir große Erwartungen, jetzt hoffen wir auf einen goldenen Herbst.“ Mehr noch als Hotels in bestimmten Regionen gerieten Eisdielen und Biergärten durch Umsatzrückgänge von bis zu 50 Prozent in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sagt Heckel.

In Berlin hingegen setzte sich der Tourismus-Boom fort. Mitgliedshotels des dortigen Hotel- und Gaststättenverbands meldeten für Juli eine Bettenauslastung von durchschnittlich 67,8 Prozent – knapp ein halbes Prozent mehr als im Vorjahresmonat. „Berlin ist nach wie vor absolut in“, sagt Thomas Lengfelder vom Dehoga Berlin. „Nur die Außengastronomie trägt Trauer.“ Kultur, Entertainment und Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt „sind weniger wetterabhängig als Badetourismus oder Bergtouren“, sagt Christian Tänzler von der Tourismusgesellschaft Visit Berlin. „Viele, die eigentlich an die Ostsee wollten, haben einen Abstecher zu uns gemacht.“ Die Stadt ziehe auch viele Gäste aus südlichen Ländern an. Er habe gerade brasilianische Touristen kennengelernt, die sich „freuen, dass es nicht 40 Grad heiß ist“. Lediglich beim Baden in Berlin hielt sich das Interesse wetterbedingt in Grenzen: Die Bäderbetriebe hatten im sonnigen Mai noch einen 35-prozentigen Besucherzuwachs gegenüber 2010, dann aber 20 Prozent weniger Gäste im Juni und 65 Prozent weniger im Juli.

Im Süden Deutschlands sah man den Sommer gelassener. Bayern habe zum einen davon profitiert, dass das Wetter „hier nicht durchgängig schlecht war, wir hatten mal Sonne, mal Regen“, sagt der Sprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, Ulrich John. Und: „Wer nach Bayern fährt, erwartet nicht Strand und Meer, sondern Kultur, Berge, gutes Essen und viele Sehenswürdigkeiten.“ Deutlich erkennbar sei jedoch, dass die Touristen kurzfristiger als sonst planen. Je nach Witterung entschieden sie sich zum Beispiel „für die Zugspitze oder Schloss Neuschwanstein“.

Und wer sich über das schlechte Wetter freut, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Ja, der Einzelhandel freut sich. Wer nicht verreist, geht bei schlechtem Wetter mehr shoppen. Der Einzelhandel verbucht im ersten Halbjahr ein Plus von 2,7 Prozent. Für Kai Falk, Sprecher des Handelsverbands Deutschland, ist das eine „sehr erfreuliche Entwicklung des Konsums“. Der übliche Sommerschlussverkauf sei in diesem Jahr aber etwas anders verlaufen. Statt zu Shorts und Flipflops hätten die Leute bereits im Juli zu Pullovern und Jacken gegriffen. „Bei herbstlicher Bekleidung haben wir insgesamt kräftig zugelegt.“ Gummistiefel seien ein großer Renner, sagt Falk. „Die sind bei dem Wetter sehr praktisch und seit einiger Zeit auch absolut im Trend.“

Grund zum Jubeln hatten außerdem die Kinobetreiber. Das Geschäft für die Kinokette Cinemaxx lief im Vergleich zum Vorjahr hervorragend. Ganze 35 Prozent mehr Besucher strömten in die Lichtspielhäuser. „König Harry schlägt König Fußball“, erklärt Sprecher Arne Schmidt. Aufgrund der Fußball-WM seien im Juli 2010 deutlich weniger Menschen ins Kino gegangen. „In diesem Jahr zieht der letzte Teil der Harry Potter Saga die Menschen ins Kino. Das wäre auch bei Sonne so gewesen.“ Umso besser sei das Einspielergebnis bei Regenwetter. „Für Eltern ist das natürlich die ideale Möglichkeit, ihre Kinder bei Laune zu halten“, erklärt Schmidt. Überhaupt seien die Sommerfilme in diesem Jahr stärker. „Die Fortsetzungen zu Hangover, Transformers, Kung Fu Panda, Fluch der Karibik sowie die Neuauflage der Schlümpfe haben sehr gut funktioniert.“

Und Bräunungsstudios sind sogar außerordentlich glücklich. „Je schlechter das Wetter, desto besser läuft das Geschäft“, sagt Norbert Schmid-Keiner, Geschäftsführer des Bundesfachverbands für Besonnung. Vielen gehe es derzeit wie in den Wintermonaten. Die richtigen UV-Strahlen bleiben aus, im Körper bildet sich kaum Vitamin D und prompt bekommen wir schlechte Laune. „Vor allem die jungen Leute wollen sich damit nicht abfinden.“ Schmid-Keiner befindet sich in einem Zwiespalt: Persönlich wünscht auch er sich den Sommer zurück. Doch sobald es draußen wieder schön wird, bleiben den Studios die Leute weg. „Viele nehmen halt doch lieber das Original.“

Wann war der heißeste Tag in der Region Berlin/Brandenburg?

Das war der 5. Juni mit 33,3 Grad in Potsdam und 32,2 in Berlin-Tempelhof. Am kältesten Tag, dem 1. Juli, wurden 8,5 Grad in Schönefeld gemessen. Überhaupt war es durchschnittlich kälter als sonst, es gab in Berlin dieses Jahr bisher nur 22 Tage über 25 Grad. Im Sommer 2010 waren es 45, dieser Wert wird auch bis September kaum noch zu knacken sein. Tage über 30 Grad gab es sogar nur zwei bis drei in Berlin. Dazu gab es 26 Prozent weniger Sonnenstunden als normal. Den Rekord hält 1907 mit 30 Prozent weniger Sonnenschein als im Durchschnitt.

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