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Weißes Haus

© AFP

Wetterchaos in den USA: Die eingefrorene Regierung

Heftige Schneefälle legen das politische Leben in Washington lahm – und den Alltag an der Ostküste.

Barack Obama ist dafür bekannt, auch in kniffligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und seinen Humor nicht zu verlieren. Auch am Dienstag. Washington war unter Schneemassen begraben, das Leben der Stadt und die meisten Regierungsaktivitäten waren zum Erliegen gekommen. „Wir gehen jetzt alle in den Garten und bauen zusammen Schneemänner“, meinte der Präsident nach einem Treffen im Weißen Haus mit den verfeindeten Senatsführern beider Parteien.

Anderen Bewohnern von Washington war hingegen nicht zum Scherzen zumute. Bereits über das Wochenende war die Stadt mit 80 Zentimetern Schnee überhäuft worden. Der Verkehr brach zusammen, beinahe 3000 Haushalte waren ohne Strom. Und für Mittwoch war eine zweite Welle von Schneefällen angekündigt, die Reparaturen bis auf weiteres unmöglich machte. Viele Menschen müssen noch Tage auf Heizung und Licht warten. „Gott sei uns gnädig“, sagte deshalb ein älterer Herr einem Reporter des Fernsehsenders CNN, während er die kurze Schneepause nutzte, um Proviant für die kommenden Tage einzukaufen.

Der Wintersturm, der seit Freitag die amerikanische Ostküste überzieht, ist der schlimmste seit Wetterereignisse aufgezeichnet werden. Der bisherige Rekordschneefall am Flughafen von Washington war im Januar 1996 mit 62 Zentimetern. Am Wochenende waren es 83 und in den kommenden Tagen werden mindestens weitere 50 Zentimeter erwartet.

Die amerikanische Hauptstadt ist am schwersten betroffen. Washington ist seit dem Wochenende eine Geisterstadt. Die Schulen sind geschlossen, die Regierungsbehörden sind auf Notbesetzung. Das Parlament ruht. Die Einsatzfahrzeuge kommen mit dem Schneeräumen nicht mehr nach. Viele Bewohner kommen seit Tagen nicht mehr aus ihrer Nachbarschaft heraus und haben erste Versorgungsschwierigkeiten. Eine Familie mit vier Kindern, die von CNN interviewt wurde, hatte Angst, dass ihr bald die Babynahrung ausgeht. Militärfahrzeuge haben bereits Notdienste übernommen, wo zivile Krankenwagen und Feuereinsatzfahrzeuge nicht mehr durchkommen.

Auch in anderen Städten im Nordosten hat der heftige Wintereinbruch den Alltag verändert. Insbesondere die zweite Welle von Schneefällen, die in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch einsetzte, soll in Boston, Philadelphia, New York und Chicago für weitreichende Ausfälle sorgen. Die erste Welle war an New York noch komplett vorbeigezogen. Lediglich der vorgelagerte Stadtteil Staten Island bekam am Wochenende Schneefälle ab. Mittwochfrüh gab es immer dichter werdendes Schneetreiben über Manhattan. Innerhalb kürzester Zeit waren Autos eingeschneit, obwohl der Höhepunkt der Schneefälle erst für den späten Nachmittag erwartet wurde. Bürgermeister Michael Bloomberg bat die New Yorker, die Fahrzeuge stehen zu lassen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Viele Pendler hatten sich bereits am Dienstagabend in Hotels in der Stadt eingemietet, wohl wissend, dass am Mittwoch der Verkehr zum Erliegen kommen würde.

Der Zugverkehr entlang des Ostküstenkorridors von Boston nach Washington funktionierte immerhin noch in eingeschränktem Umfang. Das größte Problem für die Betreiber war, dass die Züge fast leer waren, weil die Fahrgäste die Bahnhöfe nicht erreichen konnten. An den Flughäfen hingegen herrscht seit dem Wochenende Ausnahmezustand. In Washington gab es am Dienstag, in der Pause zwischen den beiden Schneefronten, einen regelrechten Run auf den Dulles International Airport, bevor wieder alles zum Erliegen kommt. Die Senatoren und Abgeordneten aus dem ganzen Land wollten die Gelegenheit ergreifen, aus der ohnehin lahmgelegten Stadt zu fliehen.

American Airlines hatte in den vergangenen Tagen 200 Flüge im Ostkorridor gestrichen, Delta 375 und United Airlines 800 Flüge. In Chicago wurden 500 Flüge annulliert, in New York und Boston wartete man am Mittwochvormittag noch die Lage ab. Doch auch an den drei New Yorker Flughäfen wurden Ausfälle in großem Umfang erwartet.

Nicht jeder grämte sich über den Schneesturm. An den New Yorker Schulen brach Jubel aus, als der Schuldezernent der Stadt, Joel Klein, Mittwochfrüh ankündigte, dass die Schulen bis auf weiteres geschlossen bleiben. Bis zur Mittagszeit waren die Hänge des Central Park voller Schlitten und auf der großen Wiese des Parks tummelten sich Skilangläufer.

Sebastian Moll[New York]

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