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Panorama: „Wie konnte es so weit kommen?“

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, was sagt der Dresdner Vorfall über den deutschen Strafvollzug aus? Im Fall Mario M.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, was sagt der Dresdner Vorfall über den deutschen Strafvollzug aus?

Im Fall Mario M. gab es von Anfang an massive Defizite. Nachdem der Täter bereits im Gerichtssaal seine Aggressivität unter Beweis gestellt hatte, war es absolut leichtsinnig, ihm einen lockeren Hofgang mit zwei Beamten zu erlauben.

Fast 20 Stunden lang stand Mario M. ungehindert auf dem Gefängnisdach, die Polizei brachte ihm Tee und Wolldecken. Hätte man anders vorgehen müssen?

Nein. Die Überlegung, ihn ohne Gefährdung vom Dach zu holen, war richtig. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist der Skandal. Es darf nicht passieren, dass jemand die komplette Justiz zum Narren hält – und damit dem Opfer signalisiert, dass es nicht in Sicherheit ist.

Wer muss nun Konsequenzen ziehen?

Man wird an Rücktritten sicher nicht vorbeikommen, aber mit konkreten Forderungen ist im Moment niemandem geholfen, das verhindert nur eine sachlich fundierte Fehleranalyse. Untersucht werden muss vor allem, ob Justizvollzugsbeamte die richtigen Anweisungen zum Umgang mit Untersuchungshäftlingen erhalten.

Der Journalist Henryk M. Broder kritisierte in dieser Zeitung, in Deutschland stehe „die Sorge um das Wohlergehen der Täter... stets vor der Frage nach der Schwere der Tat“. Eine richtige Diagnose?

Nein, das stimmt überhaupt nicht. Und ich halte gar nichts davon, mit solchen Pauschalurteilen die Opfer zu verunsichern. Wenn Beamte unfähig sind, ihren Job richtig zu machen, bedeutet das nicht, dass wir die Opfer nicht schützen und die Täter in den Vordergrund stellen.

Das Gespräch führte Jens Mühling.

Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger (55) war von 1992 bis 1996 Bundesministerin der Justiz. Sie ist stellvertretende

Vorsitzende der FDP-Fraktion im

Bundestag.

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