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Längere Haare, Bart. Julian Assange am Montag in der ecuadorianischen Botschaft in London.

© REUTERS

Wikileaks-Gründer in Botschaft Ecuadors: Julian Assange hat die Taschen gepackt - aber wo will er hin?

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange sagt, dass er die ecuadorianische Botschaft in London „bald“ verlassen werde. Aber wo will er hin? Sobald er die Botschaft verlässt, wird er festgenommen. Was hat er für einen Plan? Sehen Sie hier auch ein Video von seinem Auftritt.

Der Gesundheitszustand von Wikileaks- Chef Julian Assange gibt Anlass zum Rätselraten. Wirft Assange vielleicht bald schon wegen Herzrhythmus-Störungen das Handtuch und verlässt sein ecuadoranisches Botschaftsasyl in London, wo er sich seit über zwei Jahren vor dem langen Arm der Justiz versteckt? Eine Reporterin der „Mail on Sunday“, die ihn kürzlich besuchte, fand seine Haut „durchsichtig“, sein Gesicht aufgedunsen. Gestern bei einer Pressekonferenz an der Seite des ecuadorianischen Außenministers Ricardo Patino, der Ecuadors Exilangebot bekräftigte, sah Assange eigentlich wie immer aus. Vielleicht etwas dicker, mit längeren weißen Haaren und einem Bart, der die lange Zeit seiner freiwilligen Gefangenschaft markieren soll – oder, wie er selbst es formulieren würde, menschenrechtswidrigen Haft.

„Ich werde die Botschaft bald verlassen, aber nicht aus den Gründen, die von der Murdoch-Presse und Sky-News im Moment angeführt werden“, sagte Assange. Was alles offen ließ, vor allem, was der Begriff „bald“ in seinem Sprachgebrauch bedeutet. Auch ein Wikileaks- Sprecher war nicht viel konkreter. „Assange hat seine Taschen gepackt“, sagte er vor der Botschaft, aber es handle sich mit dem baldigen Verlassen eher um eine Hoffnung als einen Plan.

Assange lebt seit August 2012 in einem winzigen Zimmerchen der kleinen Botschaft hinter Harrods in Knightsbridge, kocht sich gelegentlich in einer Teeküche Ratatouille, spielt nachts, wenn die Botschaftsangestellten zu Hause sind, im Flur Fußball mit sich selbst „um flexibel zu bleiben“, macht eine Stunde Sport am Tag und schaut sich Spionageserien im Fernsehen an. Im Gesundheitsbericht der „Mail on Sunday“ ist von „potenziell lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen“, extrem hohem Blutdruck, Vitamin-D-Mangel, chronischem Husten und Schlafstörungen die Rede. Assange kommentierte auch das eher vage. Wie er auf engstem Raum und ohne Sonnenlicht leben zu müssen, „würde sehr bald jede gesunde Person schädigen“.

Julian Assange gibt wieder Rätsel auf

Was sich an Assanges Situation geändert haben soll, gab gestern Rätsel auf. Am Vordereingang und am Hintereingang der Botschaft stand weiter die Polizei, bereit, den Kämpfer gegen staatliche Geheimnistuerei zu verhaften, wenn er die Botschaft verlässt. Dabei geht es nicht um die Wikileaks-Veröffentlichungen, sondern um das schwedische Auslieferungsersuchen wegen angeblicher Sexualdelikte, an das die britischen Behörden gebunden sind. Sieben Millionen Pfund kostete Assanges Bewachung den britischen Steuerzahler – „eine irre Verschwendung von Steuergeldern“, findet Assange. „Wir suchen weiter nach einer diplomatischen Lösung“, hieß es im britischen Außenministerium. Assange zufolge hatte man sogar den Wunsch, ihn im Notfall in einer Botschafterlimousine mit sicherem Geleit ohne Verhaftungsgefahr ins Krankenhaus zu fahren, vorsorglich abgelehnt. Assange kann sich ja stellen, argumentiert man in London. Dann würde er in den Genuss aller Wohltaten medizinischer Versorgung kommen.

Denn unterm Strich hat sich an der Situation Assanges wenig geändert. Im „Guardian“ wetterte Außenminister Patino gegen „die Ungerechtigkeit, dass ein Asylbewerber der Gefangene eines stecken gebliebenen gerichtlichen Verfahrens ist“. London sieht in dem Wikileaks- Chef schlicht einen Justizflüchtigen, der dem schwedischen Auslieferungsantrag per EU-Haftbefehl entgehen will. Behauptungen von Ecuadors Außenminister, „Änderungen bei den Auslieferungsgesetzen“ machten neue Lösungen möglich, ließen Londoner Rechtsexperten allerdings ratlos. „Ich wünschte, er hätte genauer erklärt, was er meint“, sagte der Rechtsanwalt Michael Caplan in der BBC. Assange wehrt sich gegen seine Auslieferung nach Schweden, weil er Angst hat, von dort an die USA ausgeliefert zu werden.

Die Rechtslage in London ist eindeutig

Die wenigen Rechtsmittel, die es dagegen gibt, hat Assange in langwierigen Verfahren vor britischen Gerichten bis hinauf in die höchsten Instanzen ergebnislos verfolgt. Die Justiz hat gesprochen, da kann sich nicht einmal die Regierung sperren: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Außenministerium oder die Innenministerin sich mit Ecuador zusammentun, um die britischen Gerichte zu hintergehen“, sagte Rechtsanwalt Caplan. Die einzig denkbare Veränderung wäre, dass Schweden seine Auslieferungsbegehren zurückzieht. Dann könnte Assange die Botschaft als freier Mann verlassen. Um aus Großbritannien auszureisen, müsste er aber erst einmal einen neuen Pass beantragen.

In Wahrheit ist es um Assange ziemlich still geworden. Das ist die größte Gefahr für den Wikileaks-Gründer, dessen einziger Schutz die Sympathie der Öffentlichkeit ist. Der zweite Jahrestag seiner Flucht in die Botschaft Ecuadors verstrich ohne großes Medieninteresse. Gelegentlich kommen prominente Besucher und lassen sich mit Assange fotografieren. Er arbeitet an seinen Wikileaks Projekten, aber die Welt hat andere, neue, und brennendere Probleme. Und wenn Julian Assange geduldig ist: Die britische Justiz ist noch geduldiger.

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