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Bushido

© Promo

Willi Lemke über Bushido: "Warum macht einer so viel Ärger?"

Willi Lemke hat sich Bushido anders vorgestellt. Nicht so höflich und respektvoll. Nachdem er Bushido in einer Talkshow begegnet ist, liest er dessen Buch. Und ist ein weiteres Mal beeindruckt.

Lieber Bushido,

als wir uns im April in der J.B.Kerner-Show erstmals begegneten, waren Sie ganz anders, als meine Kinder mir berichtet hatten. Ich hatte vorher nie von Ihnen gehört und sie deshalb gefragt: Wer ist das eigentlich? Kennt ihr den? Sie malten mir ein ziemlich abstoßendes Bild von Bushido. Die Texte der Songs seien bös, ätzend und extrem frauenfeindlich. Das kann ja heiter werden, dachte ich mir …

Dann lernte ich einen selbstbewussten, höflichen jungen Mann kennen, der eloquent auftrat und kluge Ansichten hatte, auch wenn sie sich nicht immer ganz mit meinen deckten. Respekt, dachte ich mir.

Als ich gebeten wurde, Ihr Buch zu lesen und darüber zu schreiben, habe ich ohne zu zögern zugestimmt. Zum einen, weil wir uns damals gut verstanden haben, mehr noch, weil ich ganz neugierig auf das Buch war.

Und wieder war ich irritiert, schon durch den Buchdeckel, auf dem in fetter goldener Schrift auf schwarzgrauem Grund BUSHIDO prangt. Ein bisschen zu edel für all das, was man mit Ihrem Namen verbindet, auch zu edel für das, was ich bisher von Ihnen wahrgenommen hatte.

Dann bin ich eingetaucht in Ihre Schreibe. Sie hat mich gleich von den ersten Seiten hineingezogen in Ihr höchst bewegtes Leben. Das Buch liest sich gut und spannend – zumindest bis etwa Seite hundert. Wenn es dann in die Einzelheiten Ihrer aufstrebenden Musikerkarriere geht, überschlage ich schon mal mehrere Seiten. Das mag jungen Leuten, erst recht den Fans, ganz anders gehen – ich bin sicher, keine Leseinitiative bringt so viel Kids zum Lesen wie Ihr Buch. Mir ist die Rapper-Szene fremd, und die Sprache ist arg gewöhnungsbedürftig, ja manchmal einfach abstoßend und menschenverachtend. Eher witzig, wenn für mich auch nicht immer verständlich die Emoticons, die Sie immer wieder in den Text eingestreut haben.

Sie gelten als cooler Typ. Vermutlich brauchen Sie nicht einmal viel Mühe, um cool zu wirken. Sie sind aber auch, das verrät Ihr Buch, ein höchst sensibler und empfindsamer junger Mann, der sofort spürt, wenn Dinge oder Leute nicht so sind, wie sie vorgeben zu sein.

Das kommt wunderbar zum Ausdruck, wenn Sie davon erzählen, dass Ihre Mutter nie eine Chance hatte, Ihnen einen besseren Vater vorzugaukeln als der getrennt von Ihnen lebende war: „Meine Mutter hat die Illusion schon ziemlich früh verloren, mir irgendwelche Märchengeschichten über meinen Vater zu erzählen.“ Dass es die Mutter schnell aufgegeben hat, zeigt aber auch ihre feine Antenne für die Seele des Sohnes.

Das Verhältnis zu Ihrer Mutter ist das, was das Buch am meisten prägt. Das kommt nicht nur in und zwischen den Zeilen zum Ausdruck. Es beginnt mit „Für Mamma“ und endet mit „Danke Mamma“. Und immer wieder erzählen Sie von ihr mit Liebe und größtem Respekt. Warum, so habe ich mich immer wieder gefragt, macht einer seiner Mutter so viel Ärger wie Bushido, wenn er sie so liebt und so verehrt.

Das, was Ihre Lieder ausdrücken, haben Sie ja auch selbst gelebt und erlitten. Und dass Sie bei aller Härte auch Wärme und Nähe gesucht haben, diese zwei Seiten Ihres Ichs, verraten Sie in dem Song „Kein Fenster“ selbst: „… außen bin ich hart, doch mein Inneres verletzlich …“

Dieses Spannungsverhältnis, das manchen anderen kaputt macht, hat Sie aus dem Gefängnis Ihrer jugendlichen Lebensweise, die von Drogen und Gewalt geprägt war, herausgeholt. Die Mittel und Inhalte, mit denen Sie das geschafft haben, die Menschenverachtung, die Ihre Songs in jugendliche Köpfe pressen, kann und will ich nicht beschönigen.

Aber der Glaube an die Chance, die Bereitschaft, den Aus- und Aufstieg schaffen zu wollen, die imponieren mir ebenso wie die von Ihnen eindringlich formulierte Botschaft: „Es gibt immer die Möglichkeit, etwas aus seinem Leben zu machen.“

Sie erzählen Ihr Leben schonungslos in bunten, manchmal sehr abstoßenden Geschichten. Normal ist, dass in Autobiografien unangenehme Wahrheiten beschönigt oder gar weggelassen werden. Bei Ihnen ist es eher umgekehrt. Eine Parodie auf Autobiografien? Zuzutrauen wäre es Ihnen.

Mehrfach habe ich beim Lesen gedacht, das Buch hat er nur für seine Mutter und für sich selbst geschrieben, eine Art Beichte mit der Bitte um Vergebung und Anerkennung.

Das ging mir immer dann durch den Kopf, wenn ich den Eindruck hatte: Bushido zeigt sich sehr ehrlich. Und ich glaube auch, dass mich mein Eindruck nicht trügt. Auch wenn eine weitere Wahrnehmung für mich sehr auffällig ist: Sie spielen mit Ihrer Umwelt, Sie schillern. Sie sind echt, aber wenn man gerade glaubt, man weiß, wo man bei Ihnen dran ist, machen Sie sich einen Spaß daraus, Ihre Mitmenschen wieder zu irritieren.

Ihre Musik, Ihre Texte sind oft anders als Sie wirklich sind und doch sind sie ein Teil von Ihnen. Sie sind echt und zugleich auch ein Teil Ihrer Lebenswelten, in denen Sie waren und sind. Nächstenliebe ist nicht gerade charakteristisch für diese Milieus, ob nun Drogenszene, Jugendbanden oder Showbusiness. Aber wer Ihr Freund ist, Bushido, kann auf Sie zählen. Da bin ich jetzt ziemlich sicher.

Persönlich berührt war ich durch Ihr Schlusskapitel. Nicht nur, weil es schildert, wie Sie Ihrem todkranken Vater, der einst Ihre Mutter gequält und Sie in Ihrer Jugend im Stich gelassen hat, vergeben haben. Und über den Sie in einem Song getextet haben: „Reich mir nicht deine Hand, ich würd sie nie wieder nehmen …“. Berührt hat es mich, als ich las, dass Sie gerade am Tag vor unserer Begegnung bei Kerner ein Treffen ihrer so lang getrennten und jetzt beide krebskranken Eltern vermittelt hatten.

Es hat mich gefreut und bereichert, Sie in Ihrer ganzen Widersprüchlichkeit kennengelernt zu haben.

Ihr

Willi Lemke

Willi Lemke (52) ist seit diesem Frühjahr UN-Sonderbeauftragter für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung. Von 1999 bis 2008 war er Senator in Bremen.

Bushidos Buch erscheint am Montag. Er hat es gemeinsam mit Lars Amend geschrieben, es hat 432 Seiten. Das Buch erscheint im Riva-Verlag und kostet 19,90 Euro. Am 12. September liest Bushido bei MTV aus dem Buch. Am 10. Oktober zeigt MTV den ganzen Tag Bushido-Specials.

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