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Amoklauf Winnenden

© dpa

Winnenden: Amokläufer kündigte Tat offenbar im Internet an

"Merkt euch den Namen des Ortes: Winnenden", soll Tim K. in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in einem Internet-Chatroom geschrieben haben. Der Chat-Partner hielt das für einen Scherz. Dabei war Tim K. bereits 2008 wegen Depressionen behandelt worden.

Der Amokläufer von Winnenden hat seine Tat offenbar in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in einem Internet-Chatroom angekündigt. Dies berichtete ein 17-Jähriger aus Bayern, der mit Tim K. im Intenet gegen 2:45 Uhr nachts Kontakt hatte. Tim habe in einem Internet-Chat geschrieben: "Scheiße Bernd, es reicht mir, ich habe dieses Lotterleben satt. Immer dasselbe, alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potential." Er drohte damit, im Besitz von Waffen zu sein und kündigte zudem an, er werde am kommenden Morgen seine alte Schule aufsuchen und "mal richtig gepflegt grillen". Der Jugendliche aus Bayern hielt die Nachricht jedoch für einen Scherz. Dies berichtete Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Der Chatroom, in dem Tim K. seine Gewalttat ankündigte, gehöre einem deutschsprachigen Internetportal an, berichtete Rech. Der Server dieses Anbieters befinde sich jedoch in den USA..

Wie außerdem bekannt wurde, befand sich Tim K. bereits seit 2008 wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung. Zwischenzeitlich sei er in einer Klinik im Raum Heilbronn behandelt worden. Anschließend sollte er weiter in Winnenden behandelt werden, brach die Behandlung jedoch ab. Die Informationen, so berichtete Rech, hätten Ermittler aus einem Bescheid zur Wehrdienstpflicht entnommen, den sie im Elternhaus des Täters fanden.

Über die letzten Sekunden des Amokläufers Tim K. ist ein Video aufgetaucht, das zumindest die Frage aufwirft, ob der Amokläufer sich wirklich selbst getötet hat. Auf Schussverletzungen am Bein deutet auf dem Video nichts hin. Außerdem ist zu sehen, wie er von einem Schuss getroffen wird und zusammenbricht. Zu den Widersprüchen zur Darstellung der Polizei und zur Echtheit und Herkunft des Videos konnten weder Staatsanwaltschaft noch die Polizei Angaben machen. "Wir wissen von der Existenz des Videos, haben es aber noch nicht gesehen", sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Claudia Krauth.

Amokläufer gab 112 Schüsse ab

Bei seinem Amoklauf habe Tim K. rund 112 Schuss angegeben, berichtete Rech. Mindestens 60 davon seien die der Albertville-Realschule abgefeuert worden, weitere neun vor der Psychiatrischen Klinik in der Nachbarschaft und zusätzliche 40 im benachbarten Wendlingen. Allerdings, so betonte Rech, habe K. Munition für rund 109 weitere Schüsse bei sich getragen. Dies ergaben ballistische Untersuchungen des Landes- und Bundekriminalamts vor Ort.

Tim K. entwendete die Munition offenbar aus einem von zwei Waffenschränken seines Vaters. Dieser lagerte dort nicht nur gut ein Dutzend unterschiedliche Waffen, sondern auch 4600 Schuss Munition. Zwar seien die Schränke mit achtstelligen Zahlencodes gesichert gewesen, doch könne es durchaus sein, dass der Täter an die richtige Zahlenkombination gelangte, sagte Rech. Jedenfalls sei Tim K. durchaus geübt im Umgang mit der Waffe gewesen, öfters habe er im Schützenverein des Vaters als Gastschütze trainiert.

Polizeichef: Jugendliche sensibilisieren

Landespolizeipräsident Erwin Hetger kündigte an, die Schulen im Land verstärkt zu bestreifen, weil es derzeit viele Trittbrettfahrer gebe. Er sprach sich gegen eine Verschärfung des Zugangs zu Schulen als Konsequenz aus dem Amoklauf aus. "Das ist nicht zielführend, sondern sinnvoller ist es die bisher auch praktizierte enge Kooperation zwischen Schule und Polizei weiter fortzuführen." Es gebe bei der Polizei bereits eine hohe Sensibilität für dieses Thema. Wichtig sei aber auch, die Sensibilität der Gleichaltrigen dafür weiter zu schärfen. "Die Jugendlichen haben es in dem Chatroom registriert und auch reagiert, allerdings nur innerhalb dieses Mediums", sagte Hetger. Es müsse verstärkt dafür gesorgt werden, dass die Gleichaltrigen sich in solchen Situationen auch Eltern, Lehrern und vor allem der Polizei öffnen.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Stuttgart Siegfried Mahler kündigte an, dass es keine Obduktion der Leichen gebe. Lediglich, die des Täters werde obduziert. Tim K. sei ein stiller, aber freundlicher Mensch gewesen, sagt der Staatsanwalt. Er habe einige wenige Freundschaften gehabt und sei auch an einem Mädchen aus der Nachbarschaft interessiert gewesen. "Eine Beziehung hat es aber nicht gegeben", sagte Mahler. Auf seinem Computer seien einige Pornobilder gefunden worden. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass er Gewaltspiele konsumiert habe und viel Zeit am Computer verbracht habe.

Pofalla schließt schärferes Waffenrecht nicht aus

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warnte vor voreiligen Schlussfolgerungen aus dem Amoklauf. Er sagte Tagesspiegel.de: "Aktionismus und reflexhafte Debatten helfen nicht weiter. Zunächst muss der genaue Tathergang geklärt werden. Dann kann man über mögliche politische Konsequenzen beraten." Pofalla schloss nicht aus, dass am Ende dieser Beratungen ein schärferes Waffenrecht stehen könnte: "Eine Verschärfung des Waffenrechts kann man diskutieren." Es sei aber klar, dass ein solcher Schritt allein das Problem nicht lösen werde. Zur Begründung sagte Pofalla, das Waffenrecht sei "ja bereits nach dem schrecklichen Vorfall in Erfurt" verschärft worden. Als weiteren Ansatzpunkt zur Verhinderung von Amokläufen nannte Pofalla eine "verstärkte Präventionsarbeit von Schulpsychologen".

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