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© X00446

Winterwetter: Leise rieselt der Schnee

Angenehme Enttäuschung – von einem, der auszog und "Daisy" nach Osten entgegenwanderte.

Die Wolken kommen aus Italien. Sie stoßen gegen kalte Luft aus dem Norden, Rügen oder so. So las sich das bei den Meteorologen.

Unten fühlt sich das ein wenig uselig an. Unten, das ist hier Guben, unweit der polnischen Grenze. Die Dame mit dem Postauto meint, sie sei in der Zeit und stapft zum nächsten Adressaten. Als sie danach den Wagen startet, drehen die Räder durch. Der Nachbar hilft.

Rudi, der Nachbar, hat einen herrlichen Spaß an dem Wetter. 1977 hat er seine Schneeschaufel gebastelt. Das Blatt hat er auf dem Sperrmüll organisiert. Ist zum Tischler gegangen. Der hat ihm einen Stiel gemacht. Und die Nut eingefräst. Seither hält die Schaufel.

Rudi stellt sich wie ein Krieger neben die Schaufel und den frisch gekehrten Weg und sagt: „Keiner kriegt die Kanten so toll hin wie ich.“

Wer am Freitag und am Samstag mit Rucksack und Schlafsack auf einem langen Marsch nach Osten „Daisy“ entgegenwanderte, hatte noch im Ohr, was Meteorologen und Katastrophenschützer gesagt hatten. Lebensmittel für vier Tage sollten die Bürger vorrätig halten. Kerzen, Batterien. All die Sachen eben. Sind wir schon wieder im Krieg?

Beim Wandern nach Osten, dahin, wo die milde feuchte Luft von „Daisy“ auf die trockene Kälte des Nordens treffen soll, ist es still. Die Menschen haben sich zurückgezogen. Sie warten. Auf „Daisy“. Und als „Daisy“ kommt, zeigt das angekündigte Ungeheuer Milde. Etwas harzig ist „Daisy“, gewiss, die Luft geht bissig, aber der Wanderer weiß die Umarmung zu nehmen.

Im Hotel „Waldoew“ am Stadtrand von Guben blickt der Chef ins Schneetreiben: „Wird wohl nicht so schlimm wie damals.“ Mit damals meint er 78/79. „Wir hatten keinen Strom und wir hatten Angst, dass wir erfrieren.“

Nein, diesmal sind sie wohl davongekommen. Draußen geht flusiger Schnee fast waagrecht aufs Land. Unablässig. Es bleibt still. Es passiert – nichts.

Das ganze Land hatte in Wartestellung geharrt. Die frühe Ankündigung hatte die Menschen gewarnt. Sie blieben zu Hause, wenn es ging. Und wo sie sich aufmachten, da fügten sie sich still in ihr Schicksal. 200 Flüge wurden in Frankfurt gestrichen, das war zu erwarten. Lastwagen stauten sich an der Grenze zu Frankreich, auch andernorts stellte sich ein LKW quer. Leichte Auffahrunfälle, an manchem Ort musste die Autobahn vorübergehend gesperrt werden, aber die Polizei wiegelte ab. Kein Chaos, nirgends.

Nachträglich ist kaum nachzuvollziehen, welche Aufregung um „Daisy“ vorab entfacht worden war. Die Unwetterwarnung des DWD, die Aufforderung zu Hamsterkäufen durch das Bundesamt für Katastrophenhilfe – ist den Warnungen der Behörden in Zukunft noch zu glauben?

Wo Rivalen sind, ist Streit nicht weit. Jörg Kachelmann, der die Gefahr von Anfang an als eher moderat eingeschätzt hatte, konnte sich ein paar bissige Bemerkungen nicht verkneifen: „Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat mehrere Orkane und die Elbeflut verschlafen und warnt seitdem, was das Zeug hält, so laut wie möglich“, sagte Kachelmann am Samstag. „Das Risiko dabei ist gering: Wenn nun die Katastrophe kommt, kann der DWD behaupten, er hätte zuerst und am lautesten gewarnt. Wenn die Katastrophe nicht kommt, waren es ,die Meteorologen’ und es versandet dann, wer alles die Panische Republik Deutschland herbeigehypt hat.“

In der Tat hatten Kachelmann wie auch einige andere Meteorologen die Lage realistischer eingeschätzt als der Deutsche Wetterdienst mit seiner Unwetterwarnung. Aber vielleicht hat gerade diese Warnung dazu beigetragen, dass es keine Panik gibt. Die Welt geht jedenfalls nicht unter. „Sie wird es nicht, nicht diesmal, nicht wegen Daisy. Nicht enttäuscht sein“, sagte Kachelmann.

Detlef Vetten[Guben]

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