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Panorama: „Wir werden allen helfen“

In Javas Erdbebengebiet sind bisher fast ausschließlich indonesische Rettungskräfte angekommen. Ihre Zahl reicht nicht

„Wir sind mit dem Schrecken davongekommen“, sagt Ayu, „wir und unsere Häuser sind in Ordnung. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn das Epizentrum 30 Kilometer weiter nördlich gelegen hätte.“ 30 Kilometer – für Geologen kaum eine Entfernung. Auf Indonesiens Insel Java machten sie einen großen Unterschied. In Küstennähe hat das Beben Dörfer in einem großen, dünn besiedelten Reisfeldgebiet zerstört und Tausende getötet. Nicht weit davon blieb nördlich die Stadt Yogyakarta stehen und eine halbe Million Menschen am Leben. „Richtig freuen können wir uns natürlich nicht, weil das Leid vor der Stadt so groß ist“, meint Ayu nachdenklich.

Die Zahl der Toten steigt weiter, endlich nicht mehr so sprunghaft wie am Wochenende: 5136 Menschen seien ums Leben gekommen, gibt Indonesiens Sozialministerium am Montagabend bekannt. Nach wie vor kommen die meisten Leichen aus dem Distrikt Bantul, wo fast die Hälfte aller Todesopfer wohnte.

Aber auch westlich davon, im Distrikt Klaten, kamen mehr als 1600 Menschen um. Entlang der Schnellstraße liegen viele eingestürzte Häuser. An einer Stelle haben junge Männer mit einem Baumstamm eine Fahrbahn gesperrt und die andere ganz eng gemacht. Alle Autos müssen bremsen, so steigt die Chance, dass Fahrer eine Spende geben.

Ein barfüßiger Mann in kurzer Hose und Trägerhemd hält einen großen Pappkarton. Auf die Vorderseite hat er einen Zettel geklebt: „Ich habe nichts mehr. Bitte helfen Sie mir“, steht in großen Buchstaben darauf.

In Klaten liegt auch der Prambanan, einer der größten hinduistischen Tempel Südostasiens. Im 9. Jahrhundert wurde er gebaut, im vergangenen restauriert. Als es bebte, hielten die acht Schreine, solide Steinbauten, gut stand. Nur manche Steine und ein paar Fresken sind abgebrochen und heruntergefallen. Am Nachmittag trifft Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono wieder im Katastrophengebiet ein, seit Samstag kommt er regelmäßig. Allein seine Anwesenheit macht den hierarchiebewussten Javanern Mut. Der Präsident legt einem weinenden Mann die Hand auf die Schulter. „Wir helfen Ihnen. Wir werden allen helfen“, sagt Yudhoyono. Indonesische Hilfe alleine ist nicht ausreichend, aber immerhin schon da. Vom Roten Kreuz, von Islamorganisationen, von Parteien und vor allem vom Militär. Vor einer Schule stehen indonesische Soldaten auf der Ladefläche ihres LKWs und reichen kleine Packungen mit Fertignudeln herab. 50 Frauen und Männer stehen geduldig in der Tropenhitze Schlange. Schlimm ist die Lage nach wie vor in den überfüllten Krankenhäusern. „Wir sind überfordert“, sagt Dr. Hasyim. Er steht zwischen Verletzten, hat sich gerade den offenbar gebrochenen Knöchel einer alten Frau angeschaut. „Ich wohne fünf Autostunden entfernt“, erzählt der Arzt, „als ich die schlimmen Bilder im Fernsehen sah, habe ich meinen Kittel angezogen und mich in meinen Wagen gesetzt. Aber um hier gut arbeiten zu können, bräuchten wir mehr Medikamente, Röntgengeräte und viel mehr Operationsmöglichkeiten.“ Manches ist in Sicht. Geld, Hilfsgüter und Personal aus vielen Staaten und von dutzenden Nichtregierungsorganisationen sind unterwegs. „Soldaten aus Malaysia und Medikamente aus Singapur sind bereits eingetroffen“, sagt Präsident Yudhoyono, „wir sind dankbar für alles, was kommt.“

Wie schon beim Tsunami will auch das US-Militär wieder nach Indonesien kommen. Weil diese Katastrophe schlimm, aber nicht annähernd so schlimm wie beim Tsunami ist, wurden viel weniger US-Soldaten geschickt als im Dezember 2004. Etwa 100 Ärzte, Krankenschwestern und Techniker sind vom Truppenstützpunkt Okinawa in Japan, von der Pazifikinsel Guam und vom Krankenhausschiff Mercy aufgebrochen, das vor den Philippinen liegt.

Unicef geht von 130 000 Obdachlosen aus. Die Zahl liegt weit unter der 200 000-Schätzung der indonesischen Regierung. Seit dem Beben helfen spontan ein paar Deutsche, die in Zentraljava arbeiten. Dort führt die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit seit 2003 ein Projekt, das die regionale Wirtschaft fördert. Projektleiter Hayder Al-Bagdadi und seine Mitarbeiter gingen in Yogyakarta in Supermärkte und Apotheken, sie kauften Essen, Mineralwasser, Desinfektionsmittel und Medikamente. Dann fuhren sie los und verteilten alles dem Gebiet, das besonders hart getroffen worden war.

Christina S. war am Montag im Dorf Imogiri. „Da war zuvor keine Hilfe angekommen, sie läuft langsam an. Am Nachmittag kam die erste Nichtregierungsorganisation, sie will Kochstände aufbauen.“ Sie sah, wie viele Besucher des Katastrophengebietes, noch keine Helfer aus dem Westen im Einsatz. Das soll sich ändern: Das Auswärtige Amt unterstützt deutsche Hilfsorganisationen mit einer halben Million Euro, auch das Deutsche Rote Kreuz. DRK-Leute sind immer noch im Tsunamigebiet Aceh im Einsatz. Von dort wollen sie kommen, Material mitbringen und auf Java 20 000 Obdachlose mit Trinkwasser versorgen.

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