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Tom Cruise

© ddp

Wirbel um Tom Cruise: „Und auf einmal sieht man klar“

Mit aller Macht versucht Scientology, das Werbevideo von Tom Cruise, in dem er über die Organisation spricht, zu verbannen. Weil es seine Persönlichkeit authentisch zeigt?

Das Internet ist ein Drache mit vielen Köpfen, die selbst erprobte Kämpfer nicht so schnell abschlagen, wie sie nachwachsen. Diese Erfahrung muss dieser Tage Scientology machen. Mit allen Mitteln versucht diese Organisation, ein Video aus dem weltweiten Web zu verbannen, dass Hollywoodstar Tom Cruise als Werber für ihren Kult zeigt. Und was für einen. Mit aufgerissenen Augen, irrem Lachen und kryptischen Sätzen stimmt er neun Minuten lang ein Loblied auf die umstrittene Bewegung an, das Ganze unterlegt mit der Musik aus seinem Erfolgsfilm „Mission Impossible“. Am Ende sagte eine tiefe Stimme aus dem Off: „Tom Cruise hat LRH Technology zu mehr als einer Milliarde Menschen auf der Erde gebracht. Und das ist nur die erste Welle, die er losgelassen hat. Die Story von Tom Cruise, Scientologist, hat gerade erst begonnen.“ Wo wird sie enden, fragen sich nun viele, nachdem seine bizarren Auftritte sich häufen. Da war etwa die Szene 2005, als er wie ein Affe auf dem Sofa der amerikanischen TV-Talkerin Operah Winfrey herumhopste und seine Liebe zu seiner heutigen Frau Katie Holmes proklamierte. Oder in der „Today“-Show, wo er dem Interviewer fast an den Kragen ging, weil der Cruises Pauschalverdammung der Psychologie nicht durchgehen ließ.

„Er ist nicht mehr nur ein Schauspieler oder ein Produzent“, sagt Andrew Morton, Autor des gerade erschienenen Werkes „Tom Cruise: An Unauthorized Biography“, „er ist ein mächtiger Advokat eines Kultes, der sich ausweitet, besonders in Europa.“ Morton behauptet in seinem Buch, Cruise stehe in der Scientology-Hierarchie an zweithöchster Stelle. Außerdem schürt er das Gerücht, der Schauspieler könne nicht der leibliche Vater seiner Tochter Suri sein. Katie Holmes sei vielmehr mit Sperma des verstorbenen Scientology-Gründers L. Ron Hubbard (LRH) befruchtet worden. Beides streiten Cruise und die Scientology-Sekte vehement ab. Er hat bereits angekündigt, den Autor auf viele Millionen Dollar Schadenersatz verklagen zu wollen. Derweil versuchte die Scientology-Zentrale fieberhaft, das Werbevideo ihres prominentesten Mitglieds aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Wie in anderen Fällen zuvor droht die Sekte den Verbreitern mit millionenschweren Klagen wegen der Verletzung des Urheberrechts.

Doch genauso schnell, wie der Film danach aus Youtube verschwand, tauchte schon wieder eine neue Version auf der Videoplattform auf. Die Internetseite www.gawker.com, die das Stück als einer der Ersten verbreitete, gelobte zudem, dem Druck von Scientology standzuhalten und es weiterhin zu zeigen. Der Film ist vor allem deshalb interessant, weil er einen seltenen Blick hinter den Vorhang der nach außen hin sorgsam verschlossenen Sekte gewährt. Wie Scientology bestätigte, handelt es sich bei dem neunminütigen Stück um einen Ausschnitt eines vier Jahre alten Werbefilmes, der Scientology-Mitgliedern bei der Verleihung eines Preises an Cruise für dessen Verdienste um die Mitgliederwerbung gezeigt worden sei.

Nach eigenen Angaben hat die 1953 von dem Science Fiction-Autor Hubbard gegründete Bewegung 3,5 Millionen Mitglieder in den USA. Andere Untersuchungen wie die von der Columbia Universität in New York gehen davon aus, dass es eher 55 000 sind. Sie versucht dabei gezielt, Prominente anzuwerben und ist damit in Hollywood erfolgreich.

Während sich bei der Morton-Biografie schwerlich zwischen Wahrheit, Spekulation und Fiktion unterscheiden lässt, ist das Video ein authentisches Dokument. Der mit einem schwarzen Rollkragenpullover gekleidete Cruise erinnert darin stark an die Rolle von Frank T.J. Mackey, die er in dem Film „Magnolia“ spielte. Darin ist Mackey der frauenhassende Autor des Selbstheilungsbuches „Seduce and Destroy“ (Verführen und Zerstören), das zum Ziel hat, Frauen ins Bett zu bekommen.

In dem Video spricht Cruise in gleicher Tonlage und bisweilen mit dem gleichen irren Lachen davon, was es bedeute, ein Scientologe zu sein. Die Mitglieder der Sekten sind nach seinen Worten „die Autoritäten der Gedanken“, die „Frieden bringen und die Kulturen vereinen“ können. Sie hätten die Macht, „Kriminelle zu rehabilitieren“, und es sei ihre Verantwortung, „die neue Realität zu kreatieren und zu lehren“. Andere zu bekehren, mache ihm einen Heidenspaß, gesteht Cruise weiter: „Es ist, verdammt noch mal, nichts besser, als rauszugehen und den Kampf zu kämpfen. Und auf einmal sieht man klar …“

www.youtube.com

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