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Strömungen und Einleitungen sind eine große Gefahr für Schlittschuhläufer, die sich derzeit auf zugefrorene Seen wagen.

© dpa

Gefrorene Seen: Schlittschuhläufer mit Lust an der Gefahr

Die Ersten wagen sich hinaus aufs Eis. Die Wasserschutzpolizei warnt eindringlich davor, verbieten kann sie es aber nicht.

Der Dauerfrost, der in den nächsten Tagen – vielleicht sogar Wochen – anhalten wird, lässt Flüsse und Seen schnell gefrieren. Doch die vermeintliche Idylle ist trügerisch. So warnen die Behörden dringend vor dem Betreten der Eisflächen. In Berlin bezahlte eine Frau in dieser Woche ihren Leichtsinn bereits mit dem Leben.

Als am Montag vor Konradshöhe eine ältere Frau einbrach, gerieten selbst die Retter in Gefahr, weil das Eis unter ihnen nachgab. Der Feuerwehr gelang es dennoch, das Opfer an Land zu bringen. Der Notarzt konnte jedoch nur noch den Tod feststellen. Mehr Glück hatten ebenfalls am Montag zwei Eissegler, die von einem Polizeihubschrauber per Seilwinde aus dem Stolzenhagener See in Brandenburg gerettet wurden.

Der Lietzensee unweit vom Berliner Funkturm zeigte gestern eine geschlossene, aber bucklige Eisfläche. Obwohl einige schneefreie Stellen nicht gerade einen vertrauenserweckenden Eindruck machten, drehte eine einsame Schlittschuhläuferin hier ihre Runde. In Spandau wagte sich gleich eine ganze Familie auf den Teich im Südpark. Die Sicherheit, in der sie sich angesichts der augenscheinlich dicken Eisschicht wähnte, war trügerisch. „Man kann die Gefahr nicht einschätzen“, sagt Hauptkommissar Bernd Schnitzlein von der Wasserschutzpolizei. Deshalb wird ebenso grundsätzlich wie dringend vom Betreten der Eisflächen abgeraten.

Der Augenschein trügt oft, weil das Wasser von oben nach unten gefriert. Deshalb sieht das Eis von oben stabil aus, obwohl es das noch nicht ist. Luftblasen in faulenden Gewässern und eingefrorene Gegenstände können die Tragfähigkeit des Eises zusätzlich beeinträchtigen, warnt Hauptkommissar Schnitzlein. Auch Angler bilden eine potentielle Gefahr. Sie sind zwar verpflichtet, die von ihnen ins Eis geschlagenen Löcher mit Stöcken zu markieren, doch nicht alle halten sich daran. So kann ein nur leicht überfrorenes Angelloch in einer geschlossen wirkenden Eisdecke zur tödlichen Falle werden.

Einleitungen von wärmeren Abwässern können ebenso dazu führen, dass das Eis an manchen Stellen dünner ist, sagt der Polizeiexperte. Viele der Kanäle, die in Flüssen und Seen enden, sind so alt, dass sie noch nicht einmal in Karten eingezeichnet sind. All das führt dazu, dass man nirgendwo von einer durchgehend einheitlichen Eisdecke ausgehen kann. Schnitzlein: „Wenn wir in einem Gewässer an drei Stellen die Eisdicke messen, erhalten wir drei unterschiedliche Werte.“ Und jeder einzelne See und jeder Fluss gefriert aufgrund seiner speziellen Eigenschaften in einem anderen Tempo.

Was man tun kann, wenn das Eis bricht.

Nur zwei bis sechs Zentimeter betrug gestern die Eisdecke der Berliner Gewässer. Viel zu wenig, wenn man den Richtwert betrachtet, den die Hamburger Umweltbehörde für die Genehmigung des traditionellen Eisvergnügens auf der Alster angesetzt hat. 20 Zentimeter ohne jegliche Einschlüsse sind erforderlich, sagt Behördensprecher Volker Dumann. Dafür sind mindestens zwei Wochen Dauer-Extremfrost, genaue Untersuchungen und eine entsprechende Prognose bis zum Veranstaltungstermin notwendig.

Dennoch ist der Leichtsinn der Menschen angesichts zugefrorener Gewässer erschreckend. Nicht selten treffen die Ordnungshüter selbst Familien mit Kinderwagen auf dem Eis an. In vergangenen Wintern haben Schaulustige sogar versucht, auf der Havel bis zum Eisbrecher zu laufen, der die Fahrrinne frei hielt, berichtet Schnitzlein. Auch derzeit sind die fünf Eisbrecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin voll im Einsatz. Während Landwehr-, Griebnitz- und Charlottenburger Verbindungskanal bereits gesperrt werden mussten, werden Havel und Spree insbesondere für die Versorgung von Kraftwerken und Baustellen freigehalten.

Vier Eis-Streifen der Wasserschutzpolizei sind in Berlin rund um die Uhr unterwegs. An den Wochenenden und während der derzeitigen Winterferien hat man weitere Einsatzkräfte mobilisiert, um Leichtsinnige vom Eis zu scheuchen. Haben sich diese so weit vom Ufer entfernt, das sie die Lautsprecherdurchsagen vom Ufer nicht mehr hören, tritt auch schon einmal der Polizeihubschrauber in Aktion. Doch mehr als auf die Gefahren hinweisen können die Beamten nicht. Eine Rechtsgrundlage, um Uneinsichtige mit Gewalt ans Ufer zu holen oder gar mit einem Bußgeld zu bestrafen, gibt es nicht.

Wer merkt, dass das Eis unter ihm zu bersten beginnt, kann nur versuchen, so schnell wie möglich in Richtung Ufer zu gelangen. Ist es dafür zu spät, muss man sofort die Arme ausbreiten, um nicht in dem sich öffnenden Loch zu verschwinden, rät der Polizeiexperte. Dann gelte es, so laut wie möglich um Hilfe zu rufen und sich trotz der lebensbedrohlichen Lage möglichst ruhig zu verhalten. „Durch Zappeln verliert man Energie und Wärme“, sagt Hauptkommissar Schnitzlein.

Für Zeugen gilt, als Erstes mit dem Handy über 112 oder 110 die Hilfskräfte zu alarmieren. Inwieweit bis zu deren Eintreffen eigene Rettungsversuche möglich sind, muss jeder für sich nach Einschätzung der individuellen Lage entscheiden. Liegt die Unglücksstelle in Ufernähe, kann es ausreichen, dem Verunglückten einen Ast oder eine Rettungsstange zu reichen oder einen Rettungsring am Seil zuzuwerfen. Ist der Unfallort weiter vom Ufer entfernt, sollte der Helfer niemals dorthin laufen, sondern zur besseren Gewichtsverteilung flach auf dem Eis liegend darauf zurobben. Noch besser wird das Gewicht verteilt, wenn man sich auf eine an vielen Ufern bereitstehende Rettungsleiter legt.

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